„Aufgestaut und Explodiert – wohin mit unserer Wut“

„Aufgestaut und Explodiert – wohin mit unserer Wut“

Gastbeitrag von Jonas Bücker, Pädagoge und Deeskalationstrainer im Caritas-Jugendzentrum GOT Elsaßstraße

Ich arbeite als Pädagoge und Deeskalationstrainer mit Jugendlichen in der Südstadt im Caritas-Jugendzentrum GOT Elsaßstraße. In der Nähe befinden sich Flüchtlingsunterkünfte, dadurch hat sich in den vergangenen zwei Jahren unsere Arbeit erweitert, da jetzt neben den „StammbesucherInnen“ aus dem Stadtteil auch Kinder und Jugendliche aus den Unterkünften zu uns kommen. Eine Veränderung, die nicht ohne Konflikte und intensive Aushandlungsprozesse verläuft und auch für uns einen beständigen Lernprozess darstellt. So erleben wir in unserer Einrichtung im Kleinen bereits die Herausforderung, die wir als Gesellschaft im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsentwicklung im Großen zu meistern haben.

Am 20. September 2015 war ich als Studiogast im WestArtTalk im WDR Fernsehen eingeladen, um über den Umgang mit Konflikten unter den Jugendlichen in unserer Einrichtung zu berichten. Die WDR-Redaktion war auf uns aufmerksam geworden, weil in der letzten Zeit immer mal wieder in der Presse über unsere Arbeit berichtet wurde.

Um unserer neuen Zielgruppe im Stadtteil gerecht zu werden, haben wir gezielt neue Angebote entwickelt, die ein Miteinander fördern und Vielseitigkeit als Stärke erfahrbar machen. Gemeinsame Musikprojekte und Sportangebote bieten so beispielsweise einen Rahmen, in dem Begegnungen und ein „voneinander lernen“ auch ohne eine gemeinsame Sprache, möglich sind. Doch wissen wir auch, dass es damit nicht getan ist. Ein gelingendes Miteinander begründet sich auch auf der Fähigkeit zum empathischen Handeln, der Bereitschaft, Verantwortung für einander zu übernehmen und einer Kultur der gegenseitigen Wertschätzung. Wie wichtig und gewinnbringend ein aktives „Aufeinander Zugehen“ ist, zeigte sich jüngst in der Aussage eines Jugendlichen, der uns, trotz großer Vorbehalte, in eine Flüchtlingsunterkunft begleitete und erstaunt feststellte: „Voll krass, die waren da alle total nett zu mir in dem Heim, haben mich begrüßt obwohl die mich gar nicht kennen“. Wir freuen uns über diese Entwicklung und suchen gezielt den Kontakt mit den jungen Flüchtlingen.

Um diese Fähigkeiten zu verstärken und unsere BesucherInnen darin zu unterstützen eine aktive und handlungsfähige Rolle zu übernehmen, haben wir das Modell der „Integrations-Profis“ entwickelt. Ein großer Teil unserer StammbesucherInnen verfügt über eine von Migration geprägte Biographie. An diese knüpfen wir in der aktuellen Entwicklung an. Jugendliche, die unser Haus schon lange besuchen und selbst über Erfahrungen des „Fremdseins“ verfügen, werden gezielt angesprochen und zu „Integrations-Profis“ ausgebildet. Über Patenschaften und die Übernahme von Verantwortung werden diese Jugendlichen aktive Unterstützer der neuen BesucherInnen. Die „ Integrations-Profis“ beschäftigen sich in gemeinsamen Treffen und Gesprächen mit ihren eigenen Erfahrungen als Zuwanderer, benennen Schwierigkeiten und Tipps, wie es ist, zunächst fremd zu sein. So können sie zu glaubhaften Vorbildern für die neuen BesucherInnen werden und ganz konkret Wege in unsere Gesellschaft aufzeigen. Teil meiner Arbeit als Deeskalationstrainer ist es, Konflikte im Alltäglichen und unter den verschiedenen Besuchergruppen mit den Beteiligten zu verhandeln, sie damit zu konfrontieren und friedliche Lösungen einzufordern.

In der WDR-Sendung WestArtTalk ging es sehr grundsätzlich um den Umgang mit Wut und Gewalt, wozu ich aus meinen Erfahrungen als Deeskalationstrainer berichten konnte. Es wurde über das Phänomen der „Wutbürger“, über Mobbingerfahrungen im Internet ebenso gesprochen, wie über den Umgang mit gewaltaffinen Jugendlichen. Obwohl ich im Vorfeld der Live-Sendung sehr nervös war, war der Austausch mit den Studiogästen ausgesprochen spannend und aufschlussreich. Gerne hätte ich noch mehr über unsere konkrete Arbeit berichtet und über die zahlreichen Ansätze und Erfahrungen in unserem Haus gesprochen, doch dafür waren dann selbst 90-Minuten Sendezeit nicht ausreichend.

Hier geht es zum Artikel im Kölner Stadtanzeiger über die Arbeit im Jugendzentrum http://www.ksta.de/koeln/offene-tuer-in-koeln-jugendzentrum-vermittelt-zwischen-trotz-und-trauma,15187530,31334658.html

Die Sendung WestArtTalk vom 20.09.2015 ist noch in der Mediathek zu finden:

http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/westart/videowestarttalkaufgestautundexplodiertwohinmitderwut100_size-L.html?autostart=true#banner

Hier der Link zur Gastseite des WestArtTalks:

http://www1.wdr.de/fernsehen/kultur/west-art-talk/sendungen/jonas-buecker-100.html

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