Pflege vor der Bundestagswahl – alles geregelt?

Viele Themen prägen den aktuellen Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017: Zuwanderung und Flüchtlingspolitik, Digitalisierung, Ausbau der Infrastrukturen, Bildung, Rentenpolitik, Verkehrspolitik und Umweltschutz.
Die Fragen der Pflege und die Zukunft der Pflegeversicherung scheinen gelöst worden zu sein!? Und in der Tat kann die scheidende Bundesregierung mit dem Bundesgesundheitsminister Gröhe und dem früheren Staatssekretär Laumann anzuerkennende Leistungen nachweisen. Mit den Pflegereformen aus den PSG 1 bis 3 wurde mittelfristig die Finanzierung der Pflegeversicherung gesichert und die ambulante Pflege und Versorgung wirksam verbessert. Auch wurde eine zukunftsorientierte Pflegeausbildung, wenn auch mit Schwächen in der Finanzierung und offenen Fragen der Umsetzung der gemeinsamen Ausbildung von Kranken- und Altenpflege, immerhin auf den Weg gebracht.
Aber ist damit alles getan? Oder gibt es noch wichtige offene Fragen, der sich eine neue Bundesregierung, gleich welcher Couleur zeitnah nach der Wahl annehmen muss?
Aus meiner Sicht gibt es diese offenen und drängenden Fragen, die ich konkret benennen und mit klaren Forderungen verbinden kann:

1. Mit dem Pflegereformgesetz PSG 2 wurden die früheren und oftmals als nicht angemessenen empfundenen Pflegestufen durch Pflegegrade im neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ersetzt. Leider aber wurde die zur Sicherung einer guten Pflege notwendige Personalbemessung in Form einheitlicher Personalschlüssel auf das Jahr 2020 verschoben, mit der Unklarheit, ob dann tatsächlich bessere und bundeseinheitliche Personalschlüssel auch umgesetzt werden können. Da bisher die Personalbemessungssysteme in den Bundesländern stark differieren und bundeseinheitliche, bessere Personalschlüssel mit höheren Kosten verbunden sein werden, sind dann auch die gesetzlich festgelegten Erstattungssätze der Pflegekassen spätestens 2020 deutlich zu erhöhen. Derzeit betragen diese je nach Pflegegrad von 770,- bis maximal 2005,- € im Monat. Soll die personelle Ausstattung wirklich verbessert werden, ohne zukünftig die Pflegebedürftigen noch stärker zu belasten, sind diese Sätze um mindestens 30% zu steigern .
2. Mehr Personal ist wünschenswert –um die Personalsituation in den Heimen zu verbessern, die Attraktivität des Berufes zu verbessern und die Ängste vor einer stationären Pflege zu nehmen. Menschliche Pflege braucht nicht nur engagierte, sondern auch mehr Pflegekräfte. Diese Verbesserung der personellen Ausstattung mit einem ohnehin schon überforderten Arbeitsmarkt, macht wirkliche Entbürokratisierung erforderlich. Damit meine ich nicht nur die schon fast abgedroschene Vereinfachung der Dokumentationsregeln. Auch weitere Normen und Gesetze müssen hinterfragt werden, ohne damit zentrale Qualitätsanforderungen unterlaufen zu wollen. Eine starre „Fachkraftquote“ von 50% oder mehr kann nicht aufrechterhalten werden, wenn der Arbeitsmarkt diese Bedarfe nicht hergibt. Eine differenzierte Betrachtung und Bewertung, welche Qualifikation für welche Tätigkeit vorhanden sein muss ist zu finden: Natürlich sind Aufgaben wie Wundversorgung, Medikamentengaben oder die Planung der Pflege eine Aufgabe nur für Pflegefachkräfte. Aber können nicht einfache Pflegeaufgaben, wie das Ankleiden oder die Körperpflege, das Anreichen von Mahlzeiten und Getränken, auch von gut ausgewählten und angeleiteten Hilfskräften übernommen werden? Intelligente Qualitätsnormen statt reiner Quoten sind erforderlich.
3. Woraus besteht eine zukunftssichere Infrastruktur in einem Technologieland? Aus gut ausgebauten Straßen und Verkehrswegen, aus einem hervorragenden Bildungssystem, aus modernen und leistungsfähigen Datennetzwerken! Klar, sagen wir dann alle. Aber zu einer guten Infrastruktur gehört ein sicheres soziales Netz mit funktionsfähigen Einrichtungen im Pflege- und Gesundheitswesen. Nur gesunde Mitarbeiter sind leistungsfähig. Auch klar. Aber Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die auch mit „50plus“ mit vollem Einsatz beruflich tätig sein sollen, müssen z.B. ihre pflegebedürftigen Eltern gut versorgt wissen. Und wenn die Pflege zu Hause nicht zu sichern ist, außer durch die Aufgabe der Berufstätigkeit, müssen in ausreichender Zahl Tagespflegeplätze und auch gute stationäre Pflegeeinrichtungen verfügbar sein. Gerade in den Ballungsgebieten in NRW droht ein Heimplatzmangel, da die alte Landesregierung zwar die Anforderungen an diese Einrichtungen immer höher gesteckt hat, deren Finanzierung zugleich aber stetig verschlechtert wurde. Derzeit investiert der Caritasverband für die Stadt mehrere Millionen Euro in die Sanierung seiner Einrichtungen, da wir die Pflege als „Kernaufgabe“ der Caritas sehen. Das die Finanzierungsbedingungen hier aber vollkommen unattraktiv sind, ist z.B. daran erkennbar, dass die Investitionstätigkeit privater Anbieter fast auf null gesunken ist. Ein mit Bundesmittel unterstütztes Programm zum Bau von Pflegeheimplätzen ist zu diskutieren. Investitionen in die Pflege müssen attraktiver gemacht werden, indem die Regelungen hier an die üblichen Finanzierungsregeln des Steuerrechts (30jährige Abschreibungen und Refinanzierungen) angepasst werden.

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