„Wir kämpfen für die Rettung der sozialen Infrastruktur!“

Die Angebote und Dienste der Caritas Köln werden durch kommunale, Landes- oder Bundesmittel finanziert. Bei allen drei Finanzierungsquellen zeigen sich momentan Entwicklungen, die die Träger sozialer Dienste vor enorme Herausforderungen stellen: Erhebliche Kürzungen in den Haushaltsplanungen 2024 auf Landes- und Bundesebene und eine nicht-auskömmliche Refinanzierung auf kommunaler Ebene. Und dies in Zeiten, in denen Träger extremen Mehrbelastungen durch tarifbedingte Personalkostenerhöhungen und inflations- und krisenbedingt stark gestiegene Sachkosten ausgesetzt sind!

In Köln sind die Träger mit der folgenden Situation konfrontiert: Im derzeit geltenden Doppelhaushalt 2023/2024 der Stadt Köln sind die Kostensteigerungen nicht eingeplant. Sie können über den sog. Strukturförderfonds der Stadt Köln nur anteilig kompensiert werden. Auch wenn im Haushalt 2024 erneut die Mittel des Strukturförderfonds zur Verfügung stehen, reichen diese bei Weitem nicht aus, um die Kostensteigerungen im Jahr 2024 nur ansatzweise abfedern zu können. Die aktuellen Förderungen sind demnach von den tatsächlichen Kostensteigerungen entkoppelt!

Die Kombination aus Finanzierungsproblemen und gleichzeitig akuter Personalnot führt Träger und Einrichtungen in eine dramatische Lage. Zu erwarten sind die Reduzierung von Öffnungszeiten, die Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen. Die Situation ist fatal, insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger, die eine stabile soziale Infrastruktur mit ihren vielfältigen Angeboten dringend benötigen und auf sie setzen!

Die derzeitige Lage ist nicht „hausgemacht“, sondern betrifft alle Träger der freien Wohlfahrt. Laut einer aktuellen Befragung der Diakonie in Nordrhein-Westfalen rechnen beispielsweise vier von fünf Trägern mit negativen Jahresergebnissen und jeder dritte Träger rechnet mit einem Liquiditätsengpass. Zudem erwarten viele Träger Angebotsreduktionen, Zahlungsunfähigkeiten bis hin zu Insolvenzen. Dazu die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW NRW): „Die Rahmenbedingungen waren schon in der Vergangenheit selten auskömmlich, sind nun aber endgültig untragbar!“

In der Trägerlandschaft herrscht durch diese Umstände eine hohe Verunsicherung. Diese Sorge strahlt auch auf die Beschäftigten aus. Aus diesem Grund ist der Caritasverband in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LIGA, LAG) politisch aktiv und befindet sich in Gesprächen mit Ratsmitgliedern der Stadt Köln sowie mit Kölner Abgeordneten des Landtags und des Bundestages. Zudem beteiligt sich der Caritasverband an der Kampagne „NRW bleib sozial“ der LAG FW NRW. Im Rahmen der Kampagne hat bereits eine große Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag am 19.10.2023 stattgefunden. Am 08.11.2023 hat die LIGA Köln zudem eine Mahnwache vor dem Kölner Rathaus organisiert.

Da es nach wie vor keine konkreten Entscheidungen gibt (Stand Ende November 2023), hat die LIGA eine für die Freie Wohlfahrt in Köln historische Protestaktion initiiert. Am 28. und 29.11. blieben mehr als 500 soziale Einrichtungen geschlossen. Höhepunkt der Protestaktion war eine Demonstration mit deutlich mehr als 8.000 Menschen durch die Kölner Innenstadt.

Wir setzen uns dafür ein, dass Politik und Verwaltung jetzt handeln, um soziale Angebote in Köln und Nordrhein-Westfalen zu sichern und eine qualitativ hochwertige soziale Arbeit aufrechtzuerhalten.

Peter Krücker/Caritas-Vorstand und Raphael Kösters/Vorstandsreferent

Harmonie wird überschätzt

Tisch mit vielen KuchentellernMaria Hanisch, leitet im Geschäftsfeld Alter und Pflege die Stabsstelle Ethik, Seelsorge und gesundheitliche Versorgungsplanung

Mit dieser Überschrift, las ich in diesen Tagen einen interessanten Artikel von Prof. Aladin El- Malaalani. Er ist Prof. für Politikwissenschaft und politische Soziologie und arbeitet im NRW Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.
Er befasst sich, mit seinen Äußerungen mit dem Thema Integration und deren Folgen. Seine These, Integration wird zu oft mit einen Missverständnis verbunden, nämlich der Idee von einer konfliktfreien Gesellschaft. Er schreibt: „ Wenn Integration oder Inklusion oder Chancengleichheit gelingt, wird unsere Gesellschaft nicht homogener, nicht harmonischer und nicht konfliktfreier. Nein, das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Die zentrale Folge gelungener Integration ist ein erhöhtes Konfliktpotential.“
Er vergleicht unsere Gesellschaft mit einer Tischgemeinschaft bei der mehr Menschen partizipieren wollen und können, sich aktiv beteiligen und etwas vom Kuchen abbekommen wollen. Da ist die Idee von Harmonie eher naiv oder eine Projektion von Wünschen und Hoffnungen.
Er schreibt:“ gelungene Integration erhöht deshalb das Konfliktpotential, weil Inklusion, Gleichberechtigung und eine Verbesserung der Teilhabechancen nicht zu einer Homogenisierung der Lebensweisen, sondern zu einer Heterogenisierung, nicht zu mehr Harmonie und Konsens in der Gesellschaft, sondern zu mehr Dissonanz und Neuaushandlungen führt.“
Das dauerhafte Ausgeschlossensein vom Tisch steigert die Wahrscheinlichkeit für abweichendes Verhalten, für Kriminalität und Gewalt. Bei der Integration hingegen, handelt es sich um grundlegende, die Gesellschaft verändernde Konflikte

Ich finde die Gedanken von Prof. El- Malaalani spannend und kann seinem Ansatz gut folgen.
Ich frage mich: Sind wir, als Gesellschaft diesen Aushandlungsprozessen gewachsen? Sind wir bereit, mit Menschen verschiedener Herkunft und Lebensweise den Kuchen zu teilen?
Unsere Gesellschaft und das Miteinander wird weiter komplexer und dem müssen wir uns als mündige, reflektierte, konfliktbereite Menschen stellen. Eine ängstliche Abschottung und nationales Denken und Handeln wird uns dabei nicht helfen.

Phantasialand – Verzichtserklärung statt Barrierefreiheit

Buntes RiesenradWie die meisten von uns, haben auch unsere Klientinnen und Klienten und alle anderen Menschen mit Behinderung große Freude an einem Besuch im Phantasialand in Brühl bei Köln. Dort gelten jetzt allerdings besondere Regelungen für „Menschen mit besonderen Einschränkungen“, die in einer Broschüre erläutert werden.

Gleich zu Beginn wird betont, dass gemäß einer geltenden DIN-Norm „ein Ausschluss von der Fahrt aufgrund von Gesundheits- oder Sicherheitsgründen nicht als Diskriminierung zählt“. Spätestens dann, wenn etwas so explizit erwähnt wird, sollte man meiner Meinung nach hellhörig werden. So wurden alle Fahrgeschäfte von einem Sachverständigenbüro darauf geprüft, für welche Behinderungsformen welche Nutzungsverbote auszusprechen sind und dass sich jeder mit dem Hinweis auf das „Selbstbestimmungsrecht“, durch eine Verzichtserklärung und eine Begleitperson, über dieses Verbot hinwegsetzen kann. Dazu ist es notwendig sich am Eingang an den Gästeservice zu wenden, dort seine Einschränkungen und seine Personalien darzulegen und die Nutzungs- und Verzichtsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit dieser darf man dann über den normalen Eingang – unter Vorzeigen des Durchschlags – die jeweilige Attraktion nutzen. Weiterlesen

Kinderwunsch – Wunschkind: Ökumenische Woche für das Leben

In der diesjährigen „Woche für das Leben“ stellen die evangelische und die katholische Kirche verschiedene Veranstaltungen und Publikationen unter das Schwerpunktthema „Pränataldiagnostik“.

Als Mutter („Risikoschwangere“ mit 38 und 41 Jahren), als jemand mit 26 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, als Christ und einfach als Mensch, bewegt mich dieses Thema immer wieder. Ich kenne die Diskussionen um die Vorteile des medizinischen Fortschritts, um die Vermeidung von Leid, wenn Kinder mit Behinderungen ein „unwürdiges“ Leben erspart bleibt, um die Notwendigkeit, in dieser Gesellschaft leistungsfähig sein zu müssen und mithalten zu können.

Was mich dabei immer wieder am meisten erschüttert ist neben dem dahinterstehenden Menschenbild, dem fehlenden Zutrauen in das Leben und der Gleichsetzung von Behinderung mit Leid, dass Mütter und Familien sich so alleine gelassen fühlen, Beratung nie den Blick auf Chancen und Machbares und auf Entwicklung lenkt, sondern nur auf das was nicht geht, was zur Last wird und dass eigentlich alles immer nur noch schlimmer wird.

Schwanger sein als Zustand „guter Hoffnung“ wird immer mehr abgelöst vom einem Hochrisikozustand in andauernder Alarmbereitschaft.

Gleichzeitig wird die Debatte aus meiner Sicht zunehmend scheinheilig und teilweise absurd geführt: 9 von 10 Kindern mit der Diagnose Down Syndrom werden abgetrieben, ohne dass Eltern und Verantwortliche überhaupt wissen, wie die Behinderung tatsächlich ausgeprägt sein wird. Gleichzeitig werden in hochspezialisierten Kliniken Frühgeborene mit 600 Gramm Geburtsgewicht und der Gewissheit auf schwere Behinderung mit allen medizinischen Möglichkeiten am Leben gehalten.

Mit der UN-Behindertenrechtskonvention und dem neuen Bundesteilhabegesetz werden die Rechte von Menschen mit Behinderung gestärkt, ihr Wert für die Gesellschaft und ihre Gleichberechtigung an jeder Stelle betont und Inklusion als höchstes Gut und gesellschaftliches Muss propagiert.

Ist Leben somit erst nach der Geburt schützenswert?

Ist die Behinderung im Mutterleib der Garant für Leid und nach der Geburt der Mensch mit Behinderung eine Bereicherung für das Zusammenleben aller?

Wenn man sich jetzt noch darüber klar wird, dass 96 Prozent der Behinderungen erst im Laufe des Lebens erworben werden (vgl. Statistisches Bundesamt), wird die Frage noch viel schmerzhafter: Dann betrifft die Frage nach lebenswertem Leben nämlich nicht mehr nur die ungeborenen Kinder, sondern jeden von uns!

Es gibt kein Recht auf Gesundheit, auf Glück oder auf ein erfolgreiches Leben, aber eben auch kein Recht, eine solche Entscheidung für andere zu treffen.

Pränataldiagnostik kann helfen, dass bei bestimmten Diagnosen frühzeitige Therapien begonnen werden können, Ärzte und Eltern für die Geburt bestimmte Vorkehrungen treffen können und Eltern sich auf ihr besonders Kind vorbereiten können. Dazu bedarf es qualifizierter und lebensbejahender Beratung und keiner immer früher, einfacher und schneller einzusetzender Selektionsinstrumente.

Ich glaube nämlich ganz fest, dass jeder/jede so gewollt ist und dass es richtig ist, sich mit aller Kraft für die gleichberechtigte Teilhabe aller einzusetzen…

Und das nicht erst nach der Geburt!

Infos zur Themenwoche vom 14.-21.04.2018, zu Materialien und Veranstaltungen finden Sie hier:

Ein Gastbeitrag von Susanne Steltzer, Leitung Leistungsbereich Wohnen und Leben

Auf dem Weg zur Inklusion

Rund 60 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 14 Jahren tummeln sich während „Ferien zu Hause“ in den Sommerferien im Kinder- und Jugendzentrum GOT Elsaßstraße. Die Kids haben die verschiedensten Hintergründe: Manche kommen aus dem Veedel, manche von weiter weg, einige sind in Köln geboren, andere haben eine Fluchtbiographie und sind grade erst in Köln angekommen. Als wir vor drei Jahren eine Kooperation mit der Lebenshilfe starteten, sodass auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung bei „Ferien zu Hause“ teilnehmen konnten, wurde die Gruppe noch vielfältiger.

Natürlich musste das Ferienprogramm auf die speziellen Bedürfnisse angepasst werden, Ausflüge mussten verändert, oder Alternativen angeboten werden, Tagesabläufe anhand von Piktogrammen dargestellt werden, wir brauchten „Ruheräume“. Wir waren ja nun richtig inklusiv! Aber waren wir das auch? Nein, zugegebenermaßen am Anfang nicht. Es war ein Nebeneinander. Die Kinder mit Behinderung hatten zwar eine durch die Lebenshilfe organisierte 1:1 Betreuung und es fanden verschiedene Vortreffen statt, aber für viele Mitarbeitende der GOT war die Arbeit und der Umgang mit behinderten Kindern neu. Und ja, es gab Berührungsängste, das Gefühl etwas falsch machen zu können, sodass im ersten eigentlich „inklusiven Ferienprogramm“ ein Nebeneinander entstand. Die Lebenshilfe kümmerte sich um „ihre Kids“ und das GOT-Team kümmerte sich um „die anderen“.

Die 60 Kids schien das alles überhaupt nicht zu interessieren. Weiterlesen

Politik für alle

Susanne Steltzer, Leistungsbereichsleiterin Wohnen und Leben im Caritasverband Köln:

Wie vor jeder großen Wahl, fragt der CBP – der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. – auch vor der anstehenden Bundestagswahl, ob die Parteien auch die Belange der Menschen mit Behinderungen im Blick haben und unterzieht ihre Programme einer Prüfung mit sieben sogenannten Wahlprüfsteinen:

1. Politische Teilhabe und Selbstbestimmung sichern
Menschen mit Behinderungen sind gleichberechtigte und wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger unseres Gemeinwesens.
Ihre politische Teilhabe und Selbstbestimmung ist zu fördern und sicherzustellen, gerade bei den Personen, die aufgrund ihrer Behinderung besondere Zugangsbarrieren bei der politischen Teilhabe zu überwinden haben.
Bestehende Diskriminierungen in den Wahlgesetzgebungen sind zu beseitigen. Wichtig ist jetzt den Ausschluss vom Wahlrecht nach § 13 Bundeswahlgesetz aufzuheben. Weiterlesen

Kölner Landtagskandidat(inn)en diskutierten zu Betreuung, Bildung und Integration

Was sind uns unsere Kinder wert? Zu dieser Frage diskutierten gestern im Domforum Serap Güler (CDU), Jochen Ott (SPD), Yvonne Gebauer (FDP), Sven Lehmann (Grüne) und Carolin Butterwegge (Linke). Die Kölner Landtagskandidat(inn)en waren der Einladung von Katholischem Bildungswerk, Caritas für Köln, Stadtdekanat und Katholikenausschuss gefolgt.

In der Beantwortung der Frage nach dem Wert unserer Kinder waren sich die Politiker(innen) durchaus einig. Notwendige finanzielle Investitionen in Schule, Kinderbetreuung und Offener Ganztag sind erforderlich und stehen bei allen Parteien auf der Agenda für die kommende Wahlperiode. Nur bei der Frage wie das Ziel zu erreichen ist, welcher Weg zu gehen ist, welche Instrumente einzusetzen sind und in welcher Zeit, hörte die Harmonie auf.

Partiell zeigten sich aber auch durchaus Ansätze für neue politische Koalitionen. Doch spätestens bei der Frage nach der Bewertung der Landespolitik in den vergangenen fünf Jahren sind die Positionen klar: rot-grüne Verteidigung und durchaus vorhandene Einsichtsfähigkeit in Fehler auf der einen, schwarz-gelbe Kritik und Versagenshinweise auf der anderen Seite. So kam den Linken ein wenig die Rolle des lachenden Dritten zu. Eine Wahlperiode Abwesenheit aus dem Landtag lässt einen in der Bewertung wohl gelassener werden und pragmatisch den Blick nach vorne richten.

Lebhaft war es auf dem Podium und die insgesamt zweistündige Veranstaltung kurzweilig. Die Politiker(innen) hatten sich und dem Publikum Einiges zu sagen. Spätestens die Diskussion zur Schulpolitik, nach Versäumnissen der Vergangenheit und Erfordernissen für die Zukunft, brachte das Blut es einen oder der anderen Politiker(in) durchaus zum Wallen.

Auch wenn es im Wesentlichen mit Blick auf die Kölner Situation um die Frage der Gestaltung der Landespolitik und deren Verantwortung ging, klang immer auch wieder die Frage nach der Verantwortung und den Gestaltungsmöglichkeiten von Kommune und Bund an. Dass die Diskussion pointiert erfolgte, lag an der ungeschönten Zustandsbeschreibung, die von den Veranstaltern in Thesenpapieren vorgetragen und mit klaren Forderungen untersetzt waren und maßgeblich auch an der zugespitzten Art des Moderators.

Eine Frage aus dem Publikum brachte die Politiker(innen), die zwar wahlweise Steuersenkungen ablehnten, insgesamt jedoch mehr Geld für das System Schule, Kinderbetreuung und Offener Ganztag sahen, ein wenig aus dem Takt, in welchen Politikfeldern Sparpotenziale gesehen werden; eine Frage, die im Wahlkampf offensichtlich nicht ganz einfach zu beantworten ist.

Ein Feedback, wie sich die Politiker(innen) geschlagen haben, gab es am Ende auch noch. Über eine App hatten die Besucher(innen) die Möglichkeit, vor Beginn der Diskussion und im Anschluss ihr Votum für eine Partei abzugeben. Und siehe da; das Ergebnis differierte. Es gab an diesem Abend in der Wahrnehmung der Besucher(innen) Gewinner und Verlierer sowie Wechselwähler(innen).

Der Wahlkampf geht noch 9 Tage. Solange besteht noch die Möglichkeit, sich sachkundig zu machen, welche Partei ich mit meiner Stimme bewusst unterstützen will. Diese Frage ist jedem Einzelnen und jeder Einzelnen überlassen. Mein Wunsch ist, dass sich die Wähler(innen) in NRW, wie auch immer sie entscheiden, eine Partei oder ein Bündnis unterstützen, das  fest auf dem Boden des Grundgesetzes und damit der freiheitlich-demokratischen Werteordnung steht; das nicht mit Emotionen und den Ängsten der Bevölkerung spielt und einen Flächenbrand setzt, das bereit und willens ist, Politik in NRW im Interesse aller hier lebenden Menschen zu gestalten. Politik ist nicht nur Prioritätensetzung. Politik bedeutet Mut und Wille zur Gestaltung. Politik heißt Verantwortung.

„Zusammen sind wir Heimat“

Auszug aus der Ansprache zum Frühjahrsempfang der Caritas für Köln am 31.03.2017 im Domforum:

“Heimat ist da, wo es mir gut geht, ich mich angenommen, aufgenommen und verstanden fühle, wo meine Familie und Freunde sind, überall da kann Heimat sein. Es gibt zumeist auch mehrere Heimaten: Eine Kindheitsheimat, eine politische Heimat, eine musikalische Heimat, eine kulturelle Heimat … und und und. Und: Heimat ist nie etwas Statisches. Heimat lebt, sie atmet, sie entwickelt sich – so wie wir uns entwickeln.

Die Jahreskampagne der deutschen Caritas hat das Motto „Zusammen sind wir Heimat“. Sie zeigt mit ihren Motiven Situationen, in denen Heimat entsteht. Die Botschaft ist einfach wie herausfordernd: Wie können wir im Kleinen wie im Großen einander Heimat geben? Wie kann Köln eine Stadt sein und bleiben, in der alle Menschen gut miteinander leben können?

Es geht um alle: Neu Hinzugekommene wie Alteingesessene, Alte wie Junge, Kranke wie Gesunde, Behinderte wie Wohnungslose, Arbeitslose wie Niedrigqualifizierte, Arme wie Reiche, Christen und Muslime, Schwul-Lesbische und Heteros. Das Miteinander gut zu gestalten und Integration und Inklusion für alle zu ermöglichen, ist eine gesellschaftliche Herausforderung und für den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und damit für die Gesellschaft von zentraler Relevanz.
Vom migrationspolitischen Standpunkt aus hat die deutsche Gesellschaft eine lange Erfahrung, Menschen eine Heimat zu geben: als Arbeitsmigranten während des deutschen Kaiserreichs, als Vertriebene, Umsiedler oder Kriegsrückkehrer nach 1945, als südosteuropäische Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge aus der DDR in den 1960er Jahre, als Asylbewerber aus Osteuropa, Asien und Afrika (Boat People), als Kontingentflüchtlinge oder Spätaussiedler seit den 1970er Jahre.
Die zum Teil tiefgreifenden Bevölkerungsumwälzungen machen unsere Stadt bunter, interessanter und kosmopolitischer. Sie bringen zugleich eine Fülle an Herausforderungen mit sich und lassen eine Anerkennungskultur wachsen, auf die wir stolz sein können. Diese geht aber vielen Betroffenen, was die rechtliche Anerkennung und gesellschaftliche Akzeptanz, vor allem die Chancengerechtigkeit anbetrifft, noch nicht weit genug.

Die Herausforderung, allen hier lebenden Menschen eine gute Heimat zu ermöglichen, ist nicht zu unterschätzen. Während sich viele dafür einsetzen, dass Köln eine einladende, offene und gute Stadt für alle Menschen ist, wecken die Herausforderungen bei anderen den Wunsch, Identität zu bestimmen und in einem exkludierenden Sinn Heimat zu reklamieren. Sie vollziehen eine strikte Trennung zwischen „wir“ und „ihr“. Sie fürchten, was sie nicht kennen. Sie sehen das Trennende, die Hautfarbe, die Sprache, die Religion, die politische Ansichten. Sie sehen nicht, was miteinander geteilt wird: Die Leidenschaft zu Musik, die Begeisterung für Sport, die Freude an Büchern, der Genuss, mit Freunden zusammen zu sein, die Sorge um Familienangehörige, die Erfahrung von Verlust und Tod, die Hoffnung auf Sicherheit, Frieden und ein wenig Wohlstand.

Unsere Gesellschaft hat sich über die Themen Asyl und Migration zerstritten. Die Diskussionen werden von einigen hochemotional geführt, unzugänglich für jede Form von Fakten und Argumenten. Selbst im privaten Umfeld wird es schwierig, diese Themen mit der notwendigen und gebotenen Sachlichkeit zu diskutieren. Unsere Gesellschaft hat zugelassen, dass wir zunehmend mit Populismus und politischem Extremismus zu kämpfen haben. Aber, unsere Geschichte zeigt uns, dass wir es schaffen können. Es in der Vergangenheit mehr als einmal schon geschafft haben, denjenigen, die Heimat suchen, Heimat zu geben und diese mit ihnen zu teilen.

Ja, die Vielfalt an Kulturen, Religionen und Nationen in unserer Gesellschaft hat zugenommen. Aber nicht erst seit den Ereignissen auf dem Budapester Bahnhof im September 2015. Ja, eine offene Gesellschaft mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Nationen kann verunsichern, darf es auch. Sie kann aber auch anregen und Zukunft sein. Ja, Vielfalt stellt Anforderungen an das Zusammenleben. Es braucht Heimathirsche, die sich offen zeigen, und Einwanderer, die sich in die neue Heimat einfinden und die Grundlagen des Lebens akzeptieren, ohne das Eigene ganz aufgeben zu müssen.

Ein inklusives, interkulturelles und interreligiöses Zusammenleben zu gestalten, heißt die Akzeptanz gemeinsamer Regeln und die Verständigung auf gemeinsame demokratische Werte wie Grundrechte der Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit oder Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sie sind Voraussetzungen und Eckpfeiler für eine offene und plurale Gesellschaft und nicht verhandelbar. Weiterlesen

Heimat, Samba, Dom

g-k_amhof_20110315_6154Ludger Hengefeld ist Leiter der Stabsabteilung Engagement und Zivilgesellschaft

Dr. Johannes Stahl, der Autor dieses Beitrags, ist der Kurator des Kunstprojektes “Fluchten”, das vom Diözesan Caritasverband für das Erzbistum Köln initiiert wurde. www.fluchten.eu
Es ist Rosenmontag in Köln. An ausgesuchter Stelle, das heißt in größtmöglicher Nähe zum Dom, ist eine Tribüne aufgebaut worden, auf der neben der bezahlenden Karnevalsgesellschaft ein ortsansässiges Samba-Ensemble seine Instrumente bedient. Als Aushilfskraft an einem einfachen aber lauten Instrument bin ich mit von der Partie, während der Triumphzug der Jecken vorbei zieht. Von dieser Parade wahrgenommen und für sie spielend mache ich mir Gedanken über diese alljährliche Manifestation von Heimat.Obwohl langjährig in Köln ansässig, würde ich keinesfalls behaupten, dass diese Stadt mein wirkliches Zuhause ist. Beim Spielen fällt mein Blick auf eine Arbeit des in Paris ansässigen Street Art Künstlers Space Invader. Eher unauffällig außerhalb des erdgeschossverbundenen Blickfelds angebracht, spielt dieses kleine und illegal angebrachte Mosaik mit den Formen eines in den 1970er Jahren verbreiteten Videospiels. Eine weiß getünchte Rattenfalle kam wohl später noch dazu. Man könnte geradezu sagen, es vollzieht eine Invasion in meinen Domblick – und dem von vielen anderen Menschen. Für mich hat es das Gefühl der Fremdheit an diesem Ort und in dieser Situation etwas abgemildert.

Wenn der Rheinländer zum Migranten wird……..

Mittendrin und nicht nur dabei! Leben in den Caritas-Wohnhäusern!

Mittendrin und nicht nur dabei! Leben in den Caritas-Wohnhäusern!

In einer internen Datenanalyse hat der Landschaftsverband Rheinland erhoben, wie viele Menschen mit Herkunft aus dem Rheinland mit einem Leistungsbescheid/Bewilligungsbescheid in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe außerhalb des Rheinlandes wohnen, weil in deren Heimat kein passendesstationäres Angebot zur Verfügung steht. Durchschnittlich sind jährlich ca. 3.300 Menschen außerhalb des Rheinlandes untergebracht, zumeist im Bereich Westfalen-Lippe oder den angrenzenden Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen.
Also werden über 3000 Menschen aufgrund Ihrer Behinderung gezwungen, aus Ihrer Heimat abzuwandern, Kontakte zu Angehörigen oder Freunden zu verlieren und sich in einer fremden und unbekannten Umgebung einfinden zu müssen. Eigentlich ein Fall für einen Diskriminierungsbeauftragen!?
Das ist ein Missstand, über den in der Öffentlichkeit und Politik kaum einmal gesprochen wird. An anderer Stelle würde ein ähnlicher Umstand sicher Betroffenheit und Empörung hervorrufen. Warum wird dieser Umstand aber nun hier so hingenommen oder verschwiegen? Weiterlesen