Internationaler Tag der Menschenrechte

10. Dezember – Ein Tag des Erinnerns, Mahnens und Hinschauens

ein Kommentar von Zwan Karim – Leitung Perspektivberatung für Geflüchtete und des Caritas Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht

Der Internationale Tag der Menschenrechte erinnert uns jährlich daran, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist. Dieses Prinzip bildet das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft – und es verpflichtet uns, für jene einzustehen, deren Rechte bedroht sind. Dazu gehören in besonderem Maße geflüchtete Menschen.

Sie fliehen nicht aus „Bequemlichkeit“, sondern vor Krieg, Verfolgung, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Sie suchen Schutz – und die Suche nach Asyl ist ein Menschenrecht. Dieses Recht ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 14) festgeschrieben und in Deutschland durch Artikel 16a Grundgesetz garantiert. Asyl ist kein politisches Zugeständnis. Es ist ein Grundrecht, das nicht von Stimmungen oder Mehrheiten abhängig sein darf.

Menschenrechte unter Druck: Wie Geflüchtete zunehmend dargestellt werden

In der öffentlichen Debatte geraten diese Grundsätze jedoch immer häufiger aus dem Blick. Begriffe wie „illegale Migration“, „Grenzsicherung“ oder „Abschiebungen“ dominieren die Diskussion – während die menschlichen Schicksale in den Hintergrund treten. Doch hinter jeder Zahl steht ein Mensch – mit einer Geschichte, mit Hoffnungen und häufig mit tiefen Verletzungen. Der Internationale Tag der Menschenrechte mahnt uns: Wer Schutz sucht, hat ein Recht darauf, gehört, gesehen und geschützt zu werden.

Weltweite Dimension: Millionen auf der Flucht

Die aktuellen Zahlen des UNHCR (Juni 2025) verdeutlichen, wie dringlich der Schutz von Menschenrechten weltweit ist:

  • 122 Millionen Menschen sind derzeit gewaltsam vertrieben.
  • Darunter 42,7 Millionen Flüchtlinge, die über internationale Grenzen fliehen mussten.
  • Zusätzlich rund 73,5 Millionen Binnenvertriebene (IDPs) im eigenen Land.
  • 67 % aller Geflüchteten bleiben in unmittelbaren Nachbarstaaten – oft in Ländern mit sehr begrenzten Ressourcen.

Diese Realität zeigt: Flucht und Vertreibung sind globale Phänomene – kein „europäisches Problem“.

Europa im globalen Vergleich

In Europa leben etwa 8,9 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende – Geflüchtete. Das entspricht weniger als 8 % aller weltweit Vertriebenen. Geflüchtete machen 1,7 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU aus. Europa ist damit keineswegs Hauptziel von Menschen auf der Suche nach Schutz. Die überwältigende Mehrheit bleibt in ihrer Herkunftsregion.

Deutschland im internationalen Kontext

Deutschland bleibt eines der wichtigsten Aufnahmeländer weltweit. Rund 2,6 Millionen Menschen haben Ende 2024 hier Schutzstatus oder ein laufendes Asylverfahren gehabt. Deutschland gehört damit zu den Top-5-Aufnahmestaaten weltweit. Dennoch: Die meisten Geflüchteten erreichen nie Europa. Viele finden Schutz in ärmeren Nachbarstaaten – dort, wo geografische Nähe wichtiger ist als wirtschaftliche Stärke.

Besonders schutzbedürftige junge Geflüchtete

Wie fragil Menschenrechte im Alltag sein können, zeigt sich besonders deutlich bei jungen Geflüchteten. In Köln beobachten wir eine besorgniserregende Entwicklung. Jugendliche, die nur wenige Wochen oder Monate vor ihrem 18. Geburtstag stehen, werden zunehmend vorschnell als volljährig eingestuft – häufig allein auf Basis einer kurzen Inaugenscheinnahme, ohne fundierte Prüfung, ohne transparente Kriterien und ohne Berücksichtigung ihres individuellen Entwicklungsstandes.

Diese Entscheidungen führen regelmäßig dazu, dass die Inobhutnahme beendet wird und die Jugendlichen ohne Schutz in regulären Unterkünften landen. In mehreren Fällen mussten wir Unterstützung bei Widerspruch einlegen und Eilantragstellung anbieten, um ein korrektes Verfahren zu gewährleisten und die Jugendlichen in ein medizinisches Altersgutachten zu überführen.

Wie gravierend die Folgen für die Betroffenen sein können, zeigt ein Fall aus unserer Beratungspraxis:

M., ein unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher war im Juli in unserer Beratungsstelle. Er hatte vor kurzem den Termin beim Jugendamt. Bei der Inaugenscheinnahme wurde er als 18 Jahre eingeschätzt, woraufhin die Inobhutnahme beendet wurde. Wir haben bei der Eilklage und dem Widerspruch unterstützend begleitet, da er keinen sachkundigen Vertreter hatte. Erst dadurch wurde ein medizinisches Altersgutachten durchgeführt und er unter 18 Jahre eingestuft. Bis Anfang November hatte M. keine Zuweisung nach Köln und konnte keine Termine bei der Kommunalen Integration bekommen um eine Zuweisung für eine Schule oder einen Sprachkurs zu erhalten. Es sollte noch im November eine Vormundschaft eingerichtet werden – erst dann kann einen Antrag auf Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt werden.

Der Fall zeigt, wie schnell Jugendliche in existenzielle Unsicherheit geraten können. M. hätte jetzt eine passende Unterkunft, eine Schule oder Sprachkurs haben können und ihm hätte eine Menge Unsicherheiten erspart bleiben können, wenn das System und die Strukturen geregelt gelaufen wären.

 

Mehr erfahren:

Perspektivberatung Caritas Köln

Therapiezentrum Caritas Köln

Quellen:

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/563237/weltfluechtlingstag-2025/

https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen

https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/hilfe-in-deutschland

 

Warum Altersarmut vor allem Frauen trifft

„Wenn das Geld nicht reicht – Altersarmut hat vorwiegend ein weibliches Gesicht“

Armut im Alter ist in Deutschland kein Randphänomen – sie betrifft immer mehr Menschen. Besonders Frauen sind überdurchschnittlich häufig betroffen. So lag die Armutsgefährdungsquote für Frauen ab 65 Jahren 2023 bei 20,8 %, gegenüber 15,9 % bei Männern derselben Altersgruppe.¹ Hinter diesen Zahlen verbergen sich Lebensgeschichten, die oft von Sorgearbeit, Teilzeit und Lücken im Erwerbsleben geprägt sind. Sabrina Exler, Leistungsbereichsleiterin Netzwerke und Senioren bei der Caritas Köln, stellt Hintergründe, Ursachen und Lösungsansätze näher vor.

Ein Beispiel (modellhaft): Was bleibt am Monatsende übrig?
Frau M. ist 74 Jahre alt. Sie war jahrzehntelang Verkäuferin, häufig in Teilzeit, weil sie sich um ihre Kinder und später um ihre pflegebedürftige Mutter kümmerte. Heute erhält sie eine gesetzliche Rente von 920 Euro brutto, nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung bleiben ihr etwa 830 Euro netto.Die Miete für ihre kleine Wohnung beträgt 520 Euro, dazu kommen 120 Euro Nebenkosten und 50 Euro Strom. Für Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Mobilität und soziale Teilhabe bleiben ihr so rund 140 Euro – also weniger als 5 Euro pro Tag.

 

Selbst mit Grundsicherung: kaum Spielraum
Frau M. beantragt Grundsicherung im Alter. Diese ergänzt ihre Rente, sodass sie insgesamt auf etwa 1.080 Euro monatlich kommt. Nach Abzug der Wohnkosten (Miete, Nebenkosten, Strom) bleiben ihr rund 350 Euro für alle übrigen Ausgaben: Essen, Medikamente, Kleidung, Busfahrkarten, Telefon, Geschenke etc. Unerwartete Ausgaben (z.B. neue Brille, Heizkosten-Nachzahlung) bringen das ohnehin fragile Budget schnell ins Wanken. Trauer, Krankheit oder Einsamkeit sind in diesen Zahlen nicht berücksichtigt – ihre Auswirkungen verschärfen die Belastungen oft erheblich.

 

Warum sind Frauen im Alter stärker gefährdet?
Die strukturellen Ursachen:

  • Teilzeit und Minijobs: Frauen sind häufiger in schlecht bezahlten, prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig.
  • Familienzeiten: Kindererziehung und Pflegearbeit werden nicht oder nur unzureichend rentenwirksam berücksichtigt.
  • Gender Pay Gap: Frauen verdienen im Schnitt rund 18 % weniger als Männer, was sich auch in geringeren Rentenansprüchen widerspiegelt.²
  • Erwerbsbiografien mit Unterbrechungen oder internationale Biografien: Wer Zeiten ohne Beitragspflicht hat, erhält weniger anrechenbare Versicherungszeiten, was die Rente verringert.

Die stille Scham
Viele ältere Frauen sprechen nicht über ihre Not. Scham – nicht vorgesorgt zu haben, um Hilfe bitten zu müssen – ist ein großes Hindernis. Der Gang zur Behörde oder zur Beantragung von Grundsicherung wirkt für viele wie ein persönliches Scheitern und nicht das, was es ist: ein gesellschaftliches Versagen.

Besonders schwierig – Migrationsbiografien

Für Frauen mit internationalen Biografien ist die Situation oft noch komplizierter:

  • Renten aus dem Herkunftsland lassen sich nicht immer vollständig in Deutschland anrechnen.
  • Sprachbarrieren, Informationsdefizite und vor allem komplexe Verfahren erschweren den Zugang zu Hilfen.
  • In manchen Kulturen ist die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe besonders stigmatisiert.

So geraten gerade jene, die unter schwierigen Bedingungen ein neues Leben aufgebaut haben und häufig in systemrelevanten Berufen tätig waren, in eine besonders prekäre Lage.

Was zu tun ist:

  • Eine Rentenpolitik, die Sorgearbeit und Teilzeit stärker berücksichtigt
  • Niedrigschwellige Beratungsangebote ohne Stigmatisierung
  • Eine öffentliche Debatte, die strukturelle Ursachen benennt, statt Schuldzuweisungen in Richtung der Betroffenen

Altersarmut ist kein individuelles Versagen, sondern Ergebnis gesellschaftlicher Ungleichheiten.

Wie die Caritas Köln hilft:

Die Caritas Köln unterstützt ältere Menschen in akuter (auch finanzieller) Not mit niedrigschwelliger Beratung, Unterstützung bei Anträgen wie Grundsicherung oder Wohngeld oder bei der Organisation ihrer häuslichen Versorgung. Durch präventive Angebote wie Informationsveranstaltungen, frühzeitige Überleitung in Hilfs- und Unterstützungssysteme und kultursensible Angebote für Menschen mit Migrationsgeschichte hilft sie, finanzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und zu reduzieren. Gleichzeitig stärkt sie soziale Teilhabe, fördert Netzwerke gegen Einsamkeit und setzt sich öffentlich für gerechtere Rahmenbedingungen ein, damit Altersarmut – insbesondere von Frauen – gar nicht erst entsteht.

 

 


 Quellenangaben

  1. „20,8 % der Frauen ab 65 gelten als armutsgefährdet, bei den Männern derselben Altersgruppe 15,9 %“ (Destatis / EU-SILC 2023)
  2. Aus den Alterseinkünften 2023: Frauen ab 65 erhalten jährlich im Schnitt ca. 18.663 Euro brutto, Männer 25.599 Euro – was einer Lücke von ~39,4 % entspricht (ohne Hinterbliebenenrenten)

 

Armut bekämpfen, Teilhabe sichern: Warum Hilfsangebote unverzichtbar sind

Zum internationalen Tag für die Beseitigung der Armut (17. Oktober)

Armut ist längst kein Randphänomen mehr. Sie betrifft Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Alleinerziehende, Rentner*innen, junge Erwachsene ohne gesicherten Bildungsweg und zunehmend auch Familien aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Die soziale Ungleichheit wächst – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Arm zu sein bedeutet weit mehr als einen Mangel an Geld. Es heißt oft: keine angemessene Wohnung zu finden, auf notwendige Gesundheitsleistungen zu verzichten, Schulden anzuhäufen oder bei Bildungschancen abgehängt zu werden. Armut isoliert, macht ohnmächtig – und sie vererbt sich. Gerade deshalb sind verlässliche und niedrigschwellige Hilfsangebote unverzichtbar. Sie geben Orientierung, schaffen Zugang zu Leistungen, öffnen Wege aus der Krise und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Ob Unterstützung bei der Wohnungssuche, Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen oder die Vermittlung an spezialisierte Fachstellen – jede Form konkreter Hilfe kann der entscheidende Schritt sein, um Armut zu überwinden.

Doch vielerorts ist das Hilfesystem überlastet oder nicht ausreichend erreichbar. Die Zahl öffentlich geförderter Beratungsstellen reicht längst nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Viele Menschen in Not werden gar nicht oder zu spät erreicht. Die Folgen sind gravierend: drohender Wohnungsverlust, Überschuldung, gesundheitliche Probleme oder der Rückzug aus der Gesellschaft. Langfristig schwächt das nicht nur die Betroffenen, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Hier übernehmen Wohlfahrtsverbände wie die Caritas Köln und ihre Fachverbände besonders in den sogenannten Randbezirken eine tragende Rolle. Sie finanzieren zahlreiche Angebote aus Eigenmitteln und schaffen dort Strukturen, wo staatliche Unterstützung fehlt – mit Beratungsangeboten oder durch kirchliche „Lotsenpunkte“, also Erstanlaufstellen in den Kölner Gemeinden. Sie helfen Menschen mit komplexen, oft miteinander verwobenen Problemen – von Arbeitslosigkeit über Energieschulden bis zu familiären Krisen – und unterstützen sie dabei, Ansprüche geltend zu machen oder den Kontakt zu Behörden zu bewältigen. Als vertrauliches und kostenloses Angebot können sie helfen, Menschen den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu ebnen.

Die zunehmende Finanznot der Kommunen, aber auch das immer stärkere Hinterfragen des Sozialstaates insgesamt, macht es für die Caritas immer schwerer, eigenmittelgetragene Beratungsstrukturen aufrecht zu erhalten. Das trifft am Ende vor allem diejenigen, die ohnehin am stärksten benachteiligt sind. Jede nicht finanzierte Beratungsstunde kann bedeuten: ein Mensch weniger, der rechtzeitig Hilfe erhält.

Statt öffentlicher Ablenkungsdebatten wie sie gerade im Kontext der Diskussionen ums Bürgergeld mit anzusehen sind, braucht es gute Rezepte! Um Armut wirksam zu begegnen, braucht es politische Priorität und strukturell auskömmliche Lösungen – auf kommunaler wie auf bundesweiter Ebene. Nur ein stabiles Netz an Hilfsangeboten kann verhindern, dass Armut sich verfestigt und gesellschaftliche Teilhabe verloren geht.

Ein Kommentar von: Tim Westerholt, Geschäftsfeldleiter Integration, Caritas Köln und Claudia Metternich, Leistungsbereichsleitung Jugend und berufliche Integration, Caritas Köln

Caritas Köln sagt Danke – Ein Fest für das Ehrenamt

von Simone Streif (Referentin Ehrenamt)

Für die Caritas Köln ist das Ehrenamt ein wichtiger Bestandteil ihres Wirkens. Freiwillig Engagierte setzen sich mit Herz, Zeit und Tatkraft für Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen ein. Um diesen Einsatz zu würdigen, lud die Caritas Köln zu einer zentralen Dankesfeier für ihre ehrenamtlichen Mitarbeitenden ein – und über 100 Engagierte aus den drei Geschäftsfeldern des Verbandes sowie der Kölsch Hätz Nachbarschaftshilfen folgten der Einladung in die Geschäftsstelle nach Ehrenfeld.

Nach einer längeren Pause seit der letzten verbandsübergreifenden Feier, war die Freude über die große Resonanz besonders spürbar. Vorstandssprecher Markus Peters und Simone Streif, Referentin Ehrenamt, begrüßten die Gäste herzlich und sprachen ihren tiefen Dank für das außergewöhnliche Engagement aus.

Über 1.000 Ehrenamtliche bei der Caritas Köln aktiv

Vorstandssprecher Markus Peters spricht beim Dankesfest für Ehrenamtliche

Vorstandssprecher Markus Peters bedankte sich in seiner Ansprache bei den über 100 Ehrenamtlichen für ihr Engagement.

Aktuell engagieren sich über 1.000 Menschen ehrenamtlich bei der Caritas Köln – in Altenzentren, sozialpsychiatrischen Einrichtungen, Beratungsstellen, als Sprachmittler*innen, in der Hospizarbeit, bei der Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz und vielen weiteren Bereichen. Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten zeigt die Stärke des Verbandes: Ehrenamt hat viele Gesichter und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Caritas-Arbeit.

Organisiert wurde die Feier von Simone Streif aus der Stabsabteilung Engagement | Gesellschaft | Gemeinde, unterstützt von zahlreichen hauptamtlichen Kolleg*innen. Diese mixten alkoholfreie Cocktails, grillten Würstchen, dekorierten die Räume festlich und sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Die Atmosphäre war geprägt von Austausch, Gemeinschaft und guter Laune – musikalisch begleitet von Svitlana Kavka, die auf ihrer Bandura auch kölsche Töne erklingen ließ.

Freude empfangen und weitergeben durch ehrenamtliches Engagement

Bereits bei der Anmeldung wurden die Ehrenamtlichen gefragt, was ihnen ihr Engagement bedeutet. Die Rückmeldungen wurden aufmerksam gelesen und als Girlanden ausgehängt. Viele der Ehrenamtlichen antworteten, dass sie durch ihr Ehrenamt Freude empfangen oder weitergeben – ein starkes Zeichen für die emotionale Bedeutung des freiwilligen Einsatzes. Diese Freude war auch in den Räumlichkeiten der Geschäftsstelle deutlich zu spüren. Ein weiteres zentrales Motiv war der Wunsch zu helfen:

  • um Verantwortung zu übernehmen,
  • um etwas zurückzugeben,
  • um sich sinnvoll einzubringen oder
  • um zu erleben, wie bereichernd das Engagement auch für einen selbst sein kann.

Zum Abschluss erhielt jede*r Ehrenamtliche eine kleine Aufmerksamkeit als Zeichen der Wertschätzung. Denn eines ist klar: Die Caritas Köln ist an 365 Tagen im Jahr dankbar für das, was ihre ehrenamtlichen Mitarbeitenden leisten.

Diese Veranstaltung wird in Erinnerung bleiben – als Ausdruck von Gemeinschaft und Motivation und als klares Signal: Der Caritasverband kann und will nicht ohne das Ehrenamt sein.

Sie möchten sich ebenfalls engagieren?
Dann besuchen Sie www.caritas-koeln.de/Ehrenamt und finden Sie das passende Ehrenamt für sich!

Menschen mit Würde und Potenzialen

Warum Vorurteile über Bürgergeld beziehende Personengruppen diskriminierend, faktisch falsch und kontraproduktiv sind

von Mathias Schnitzler, Pädagogische Fachkraft Arbeitsgelegenheiten
und Raoul Braus, Leitung Arbeitsmarktintegration im Caritasverband der Stadt Köln

Das Team der Arbeitsgelegenheiten (AGH) der Caritas Köln

Lobbyismus für die Langzeitarbeitslosen oder: keine Wertschätzung, keine Wertschöpfung

„Die sind faul“, „Sozial problematisch“, „Unflexibel und unmotiviert“. „Selber schuld!“ Und zur Belohnung, so hört man, bekämen sie für das Liegen in der sozialen Hängematte mehr Geld in die Taschen gesteckt, als manch hart arbeitender Mensch auf dem Lohnzettel hat.

Dies sind nur einige der gängigen Vorurteile gegenüber Personen im Bürgergeldbezug, insbesondere gegenüber langzeitarbeitslosen Menschen. Die sogenannten „Totalverweigerer“, die jetzt als bedrohliche Gespenster wieder in Politikerinterviews die Runde machen, sind in Wahrheit eine geringe Größe: Auf 14.000 bis 16.000 werden sie von der Arbeitsagentur beziffert – deutschlandweit. 74% der Bürgergeld beziehenden Menschen wollen laut einer Studie des Sozialverbands VdK so schnell wie möglich wieder in eine existenzsichernde Arbeit wechseln.

Kampf für eine wertschätzende Förderung

In der Einrichtung Arbeitsmarktintegration, mit vielen Maßnahmen und Projekten zur Berufsberatung und insbesondere im Team der Arbeitsgelegenheiten (AGH) begegnen uns diese Themen tagtäglich und wir kämpfen seit vielen Jahren für eine wertschätzende, ressourcen- und lösungsorientierte Förderung von arbeitssuchenden Menschen.

Mathias Schnitzler, Pädagogische Fachkraft Arbeitsgelegenheiten und Raoul Braus, Leitung Arbeitsmarktintegration

Doch auch diejenigen, die sich zunächst noch sträuben, die Ängste, Einschränkungen oder Erkrankungen haben, sind Menschen mit Potenzialen. Statt Schuldzuweisungen und Rufen nach härteren Sanktionen, sollten wir auf positive Anreize setzen und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen suchen.

Diese Menschen, denen wir als Individuen und auf Augenhöhe begegnen, leiden unter den Vorurteilen, die als psychische Belastung zu den Gründen für ihre Arbeitslosigkeit noch hinzukommen: Sehr viele unserer Klient*innen haben gesundheitliche Einschränkungen und Schwerbehinderungen. Alleinerziehenden fehlt die Kinderbetreuung, anderen eine Schul- und Ausbildung oder Qualifikation. Auch das Alter und die Sprachkenntnisse spielen eine Rolle, viele haben multiple Hemmnisse, für die es immer weniger Förderungen und Angebote gibt, da diese gekürzt wurden oder keine Kapazitäten haben.

Chancen für die Zukunft – Forderungen zur Förderung!

In der aktuellen Debatte um das Bürgergeld wünschen wir uns eine differenzierte und realitätsnahe Perspektive der betroffenen Personen und eine lösungsorientierte Sichtweise für die Arbeitsmarktförderung.

Die anstehenden Kommunalwahlen sehen wir als Chance, hier wichtige Schritte in eine ziel- und ressourcenorientierte Arbeitsmarktförderung einzuschlagen. Dafür fordern wir:

  • Langfristigere gesicherte Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration
  • Ausweitung der Instrumente zur nachhaltigen beruflichen Integration von Langzeitarbeitslosen Menschen (z.B. Arbeitsgelegenheiten erweitern und über mehrere Jahre beauftragten, §16i Förderungen)
  • Förderungen von beruflichen Qualifikationen/ Weiterbildungen die nachhaltig wirken (keine kurzfristigen Vermittlungen)
  • Abbau von bürokratischen Verwaltungsprozessen für Leistungsbezieher*innen und für die Träger
  • Direkte und transparentere Kommunikation zwischen den Behörden und Trägern (Arbeitsverwaltung, Ausländerämter und Trägern etc.)
    • Zusammenlegung in der Leistungs- und Einkommensprüfung
  • Wertschätzende Debatte und zugleich eine fordernde sowie fördernde Haltung gegenüber Menschen mit Unterstützungsbedarf, insbesondere Langzeitarbeitslosen Menschen

Ein Geschenk des Himmels

Der Regenbogen ist mehr als ein wiederkehrendes Naturwunder. Er ist sogar mehr als ein irgendwie zeitgemäßes und leuchtendes Symbol für Vielfalt. Er ist für Christinnen und Christen auch Zeichen des Bundes. Eines unverbrüchlichen Bundes, den Gott mit den Menschen geschlossen hat.

So steht es an prominenter Stelle im neunten Kapitel des Buches Genesis („Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Zeichen des Bundes werden zwischen mir und der Erde“, Gen 9,12). Vorausgegangen ist diesem Bundesschluss die Geschichte von der Arche Noah. Und so kann man auch heutzutage festhalten: Der Regenbogen ist buchstäblich ein Geschenk des Himmels! Er verbindet Himmel und Erde. Er erinnert an einen Bund, der über uns Menschen hinausweist. Er mahnt auch zu einer erhöhten Sensibilität im Umgang mit der Schöpfung und ihren besonderen Ansprüchen.

In unserer Zeit aber ist der Regenbogen vor allem ein Symbol der Vielfalt. Wie könnte es anders sein? Der Regenbogen ist bunt und er verbindet Farben, die unvermischt und ungetrennt nebeneinander stehen. Seine friedliche Wirkung ist vorbildhaft und zugleich beruhigend.

Man kann am Regenbogen vorbeigehen, man kann ihn im Zweifel sogar ignorieren – er ist trotzdem da! Und so ist es auch mit dem Glauben an Gott in der großen Menschheitsfamilie und so ist es – in Gottes Namen – auch mit der Vielfalt, in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt.

Diese Vielfalt ist für uns als Caritas keine Bedrohung, sondern – eben: ein Geschenk des Himmels! Vielfältig hat Gott die Menschen erschaffen, wohl nicht ganz zufällig. Gottlob haben die vergangenen Jahre, so beschwerlich sie manchmal auch waren, wesentlich dazu beigetragen, dass eine Sensibilität für die Vielfalt und ihre wiederum vielfältigen Dimensionen gewachsen ist.

Wir als Caritas verstehen uns aus guten Gründen als Motor dieser Bewegung. Denn es gehört auch zur Wahrheit, dass Vielfalt über unendlich lange Zeiträume ersehnt wurde und errungen werden musste. Vielfach ging der Gegenwart hier eine Leidensgeschichte voraus. Für nicht wenige ist diese Leidensgeschichte noch immer eine bittere Realität. Verbunden mit Diskriminierung, Desintegration und auch Verzweiflung. Wo sonst aber als an der Seite derer, die von gesellschaftlichen Verhältnissen zu Opfern gemacht werden, könnte der Ort der Kirche sein?

Gott selbst hat die Welt nach christlichem Glauben nicht nur bunt und vielfältig geschaffen, sondern er hat sich auch noch besonders mit den Leidenden und Ausgegrenzten verbunden. Es gibt für den Bund kaum ein schöneres Zeichen als den Regenbogen. Er könnte gleichermaßen für Gläubige wie Nichtgläubige ein Geschenk des Himmels sein. Und genauso ist er ein wichtiges Zeichen der Vielfalt. Wir sind froh darüber, dass der Regenbogen viele unserer Einrichtungen nicht nur schmückt, sondern auch prägt!

Dr. Tim Schlotmann, Caritas Köln

Stab Seelsorge und christliche Identität

 

Idylle und Zerstörung

Auswirkungen des „globalen Goldhungers“ und Hoffnungsschimmer

– eine Pressereise in das Amazonasgebiet Perus

von Marianne Jürgens, freie Journalistin (ehemals Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Caritasverband Köln), Juni 2025 – Titelbild: Carolin Kronenburg/Caritas international

Auf den ersten Blick eine Idylle: Sanft gleitet unser kleines flaches Boot über den Rio Madre de Dios und den Rio de la Piedra, Nebenflüsse des Amazonas in Peru. Am Ufer blicken wir auf üppigen Regenwald. Schnell ändert sich das Bild. Mehrere große Brachflächen, die Spuren illegaler Goldminen und der damit verbundenen Abholzung werden sichtbar. Auf einer Pressereise der GkP (Gesellschaft katholischer Publizistinnen und Publizisten) mit Caritas international sind wir im Amazonasgebiet zur indigenen Dorfgemeinschaft Boca Pariamanu unterwegs, die nur mit dem Boot nach anderthalbstündiger Fahrt zu erreichen ist

Mit einem dieser Boote zur indigenen Dorfgemeinschaft, Foto: Marianne Jürgens

Die sich zuspitzende Ökokatastrophe im Amazonasgebiet, der Kahlschlag im Regenwald, die Vergiftung großer Landstriche durch Einsatz von Quecksilber bei illegaler Goldschürfung und Vernichtung der Artenvielfalt: Auch in deutschen

Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international

Medien wird regelmäßig berichtet, wie dadurch der Lebensraum der indigenen Bevölkerung vernichtet und die Klimaerwärmung weltweit beeinflusst wird.

Humanitäre Hilfe der Caritas und Projekte zur Bewältigung der Klimakrise

Humanitäre Hilfe der Caritas ist nicht zu trennen von Projekten zur Bewältigung der Klimakrise, hat diese doch unmittelbare Auswirkungen auf das Überleben und die Lebensqualität der Menschen. Wir lernen von Caritas Deutschland und der Caritas vor Ort initiierte und geförderte Projekte für den Erhalt des empfindlichen Ökosystems im Amazonasgebiet kennen, die Alternativen und Problemlösungen aufzeigen und sich für die Rechte der indigenen Völker einsetzen.

Für ein resilientes Amazonien

Über Ländergrenzen hinweg entwickeln indigene Gemeinschaften im Amazonasgebiet im Projekt „Nachhaltiges Amazonien – Resiliente Gemeinschaften“ (vom BMZ/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Caritas Deutschland finanziert) in gemeinsamen Schulungen und Workshops, wie sie mit ihrem Wissen Artenvielfalt erhalten und sich verschiedene Erwerbsquellen erschließen können. Das soll den Verbleib in ihrem Territorium und den Schutz des Regenwaldes sichern. Viktor Ore/Projektkoordinator bei Caritas Peru und Laura Ramirez/Caritas Madre de Dios hoffen, dass die Erfolge, wie wir es am Beispiel der Dorfgemeinschaft Boca Pariamanu erleben, auch die Geldgeber des Projektes überzeugen und es über das geplante Ende 2026 hinaus fortgesetzt wird. Begleitet wird das praxisorientierte Projekt von politischer Lobbyarbeit zu Umwelt- und Landrechten sowie Unterstützung bei Rechteverletzungen.

Empfang im Dorf Boca Pariamanu, Foto: Marianne Jürgens

Angekommen in Boca Pariamanu hört es auf zu regnen, die Sonne bricht durch. 20 Familien mit 52 Erwachsenen und 100 Kindern vom Volk de Amahuaca leben hier auf einem großen Gelände in Hütten, erbaut mit dem Holz aus dem Regenwald und Dächern von geflochtenen Palmblättern. In der Versammlungshalle erwartet uns in der Mitte ein Tisch, gefüllt mit exotischen Pflanzen und Früchten. Die Präsidentin der

Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international

Trocknung der Kakaobohnen vor Weiterverkauf, Foto: Marianne Jürgens

Dorfgemeinschaft erklärt uns, wie das Zusammenleben und die Arbeit in der Gemeinschaft organisiert sind. Unterschiedliche Arbeitsgruppen widmen sich dem Anbau und der Ernte, sowie weiteren Erwerbsquellen wie kunsthandwerklichem Schmuck aus Samen und Früchten, die sich im Regenwald finden.  Bei einem Rundgang durch den Wald sehen wir die traditionellen Heilpflanzen, Kakaoplantagen, Maisanbau, Bienenstöcke, agroökologische Mischparzellen und Kastanienproduktion. Der ökologische Anbau von Kakao bietet inzwischen eine echte alternative Einkommensquelle zum Goldschürfen, denn der Kilopreis hat sich in den letzten zwei Jahren mehr als verdreifacht.

Angestrebt wird die überwiegend autarke Versorgung der Familien mit Lebensmitteln, außerdem fließt ein Teil des Verkaufs, zum Beispiel der Kastanien, in die Gemeinschaftskasse.

Jane del Castillo Ramirez, Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international

Bevor wir wieder die Rückfahrt mit dem Boot antreten, bewundern wir den Schmuck aus rein organischem Material. Jane del Castillo Ramirez stellt uns das

Kunsthandwerk vor, in dem 15 Frauen des Dorfes seit drei Jahren arbeiten. Gekrönt wurde ihr Erfolg mit dem Gewinn eines Wettbewerbs. Das Preisgeld in Höhe von umgerechnet rund 14.400 Euro investierten die Frauen wieder in Produktionsräume und Aufforstung.

Seit Dezember 2023 haben die indigenen und traditionell lebenden Familien in Boca Pariamanu konsequent das Konzept agroökologischer Mischparzellen umgesetzt und Erwerbsquellen weiter entwickelt. Die sichtbaren Erfolge lassen sie trotz der Bedrohung ihres Lebensraums positiv in die Zukunft blicken.

„Territorium ist Identität“

Präsident Alfredo Vargas Pio, Foto: Marianne Jürgens

Der Verband FENAMAD bündelt die Interessen von 38 indigenen Dorfgemeinschaften im Gebiet Madre de Dios. Präsident Alfredo Vargas Pio vom indigenen Volk der Shipibos bringt die aktuelle Situation in einem Gespräch mit uns am Vorabend auf den Punkt: „Die Verfolgung Indigener hat zugenommen. Der Staat definiert die Konzessionen für Minen und Holzabbau, aber kümmert sich nicht um die Gebietsansprüche der Indigenen.“ Die Regionalregierung verkaufe den Abbau der vielen Bodenschätze und Ölvorkommen im Gebiet Madre de Dios als Fortschritt und fordere von den Indigenen das Abtreten von Land. Auf nationaler Ebene werden die Rechte der Indigenen missachtet, aber auf internationaler Ebene erfahren sie Unterstützung, unter anderem von Deutschland und den Niederlanden. „Wir wollen unser Wissen über Natur, das Erbe der Vorfahren als wichtige Lebensgrundlage für die Menschheit bewahren und weitergeben.“

Kelly Olivo Rengifo (Mitte), Foto: Marianne Jürgens

Kelly Olivo Rengifo vertritt die Interessen junger indigener Studentinnen und Studenten. Sie betont den Stellenwert von Bildung, um die eigenen Rechte vertreten zu können und dankt Kirche und Caritas für deren Unterstützung und die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln. Von Papst Leo XIV. erhofft sie, dass er das Erbe von Papst Franziskus, der 2018 das Amazonasgebiet besuchte, fortsetze und Druck auf die peruanische Regierung ausübe. „Territorium ist Identität“, sagt sie. „Es gibt eine historische Schuld gegenüber den Indigenen, die beglichen werden muss.“ Sie blickt nach vorne: „Als Jugendorganisation verfolgen wir das Ziel, unternehmerisch erfolgreich zu werden. Dabei wollen wir Traditionen mit neuen Ideen verknüpfen.“ Sie nennt ein Beispiel: „Shampoos werden mit traditionellen Rezepten der Indigenen hergestellt. Bestimmte indigene Muster setzen wir für angesagte Produkte ein.“

Innovatives Wissenschaftsprojekt für Aufforstung und Regeneration zerstörter Gebiete im Amazonas

Am nächsten Tag will ein Teil unserer Gruppe das wissenschaftlich fundierte Aufforstungsprojekt der NGO CINCIA (=Centro de Innovacion Cientifica Amazonica; CINCIA – Centro de Innovación Científica Amazónica) in der ehemaligen illegalen Bergbauzone „La Pampa“ mitten im Regenwald besuchen. Seit die staatliche „Operation Quecksilber“ 2019 illegale Goldminen in „La Pampa“ zerstörte und Goldschürfer vertrieb, wird das Areal durch Militär abgesichert. Trotzdem kommt es hier immer wieder zu Zusammenstößen. Illegale Goldschürfer weichen inzwischen auf Gebiete der Indigenen und Naturschutzflächen im Department Madre de Dios aus. Die von unterschiedlichen Regierungsbehörden mit verschuldeten Nutzungskonflikte führten zu 3596 Klagen gegen illegale Goldschürfer. Aber unter Druck der im Kongress stark vertretenen Interessensgruppen des Bergbaus erließ Perus Präsidentin Dina Boluarte 2024 eine Rechtsverordnung zur Ausweitung der Straffreiheit für die illegalen Unternehmen. Es wurde sogar ein Korridor eingerichtet, in dem Einzelpersonen und kleinen Bergbauunternehmen das illegale Schürfen erlaubt ist.

„Cargueros“, Foto: Christoph Arens/KNA

Wir starten vom Militärstandort „Grau“ nahe der neuen Verbindungsstraße „Interoceanico“, die Peru mit Brasilien verbindet. Eine anderthalbstündige Fahrt auf „Cargueros“, kleinen Geländefahrzeugen, auf deren Ladefläche wir uns stehend immer wieder unter überhängenden Zweigen und Ästen ducken, soll uns zu dem streng bewachten Wiederaufforstungsgelände Alfa Balata bringen. Begleitet werden wir von jungen Soldaten als Personenschutz, die sich vermummen und mit Waffen ausrüsten.

Unsere Personenschützer, Foto: Marianne Jürgens

Nach kurzer Strecke durch intakten Regenwald erreichen wir nach Überqueren einer schmalen Brücke mit losen Holzlatten das erste abgeholzte Gelände, – eine Sandwüste, die der illegale Bergbau hinterlassen hat.  Am Rande der Piste beobachten uns junge Männer auf Geländemotorrädern. Schließlich stoppt unser Konvoi in einem Waldstück. Es habe eine Schießerei wenige Hundert Meter entfernt zwischen Polizei und illegalen Minenarbeitern mit einem Verletzten gegeben, heißt es. Der Militärkommandant fürchtet die Rache der Bergbauarbeiter und im schlimmsten Fall eine Entführung von uns Deutschen. Da er nicht für unsere Sicherheit garantieren könne, müssen wir umkehren. Zurück in der Militärbasis spekulieren wir, was wirklich passiert ist, die Wahrheit können wir nicht ergründen.

Foto: Christoph Arens/KNA

Foto: Christoph Arens/KNA

 

So werden wir leider nicht, wie ursprünglich geplant, selbst einen Baum im Regenwald pflanzen und uns ein eigenes Bild von den Erfolgen des Aufforstungsprojektes machen können.

Das Wissenschaftsprojekt von CINCIA wird getragen von einer breiten Basis von Unterstützern, darunter US Aid und Wake Forest University, und von der guten Kooperation mit dem Militär vor Ort. Für das 30-köpfige Expertenteam ist es existenziell wichtig, unermüdlich Öffentlichkeit dafür zu schaffen, was sie dort eigentlich tun und welche Erfolge sie erzielen.

Cesar Ascorra/Projekt CINCIA links, Foto: CINCIA

Cesar Ascorra, CINCIA-Nationaldirektor für Peru, erklärt uns das Vorgehen: Im ersten Schritt dokumentierte das Wissenschaftsprojekt mit Hilfe von Drohnenaufnahmen und Laboruntersuchungen die Folgen des illegalen Bergbaus im Gebiet „La Pampa“, die Größe des Brachlandes mit der Vernichtung der Artenvielfalt und die Quecksilber-Verseuchung von Wasser, Land und Tieren. Im Anschluss wurden möglichst resistente Setzlinge, Substrate und organische Dünger für die Pflanzung produziert und in die Erde gebracht. Rund 70.000 Setzlinge wurden bereits gepflanzt. „Das dritte Modul beinhaltet die Beobachtung, wie sich Flora und Fauna entwickeln.“ Vorher-Nachher-Aufnahmen zeigen beeindruckende Fortschritte des Projektes. Inzwischen beteiligen sich auch Soldaten der Militärbasis, die das Gebiet absichert, an der Bepflanzung. 174 Militärangehörige wurden 2024 in Aufforstungstechniken an der National Amazon University of Madre de Dios geschult.

Aufforstung im Regenwald, Foto: CINCIA

 

Modellhaft zeigt dieses wichtige, wegweisende Projekt, wie eine Aufforstung mit resistenten Pflanzen und eine Renaturierung gelingen kann, und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um die Ergebnisse auf das gesamte Amazonasgebiet übertragen zu können.

„Sauberes Gold“

Sauberes Gold, Foto: Marianne Jürgens

Gegenüber des Militärstandortes „Grau“ demonstriert uns die handwerkliche Produktionsgemeinschaft AMATAF (Association de Mineros Artesanales Tauro Fatima), wie sich Gold ohne Quecksilber gewinnen lässt. Eine Rüttelmaschine filtert unter Zugabe von Wasser aus dem geförderten Schlamm feinen Goldstaub heraus, der anschließend für den Weiterverkauf zu kleinen Goldklumpen geschmolzen wird. Im Oktober 2023 wurde das Pilotprojekt für seine erste fair produzierende Goldlieferkette in der Region zertifiziert. Herausforderungen sind allerdings die Vermarktung des „sauberen“ Goldes und Gewinnung verantwortungsbewusster Käufer. In der Region Madre de Dios sind rund 50.000 Menschen direkt vom Kleinbergbau abhängig, schätzt Caritas international. Zukunftsvision ist es, viele weitere Bergleute für die umweltbewusstere Goldschürfung zu gewinnen. Die Projektverantwortlichen sind sich einig: Das kann nur gelingen, wenn alle zusammenarbeiten, die Goldschürfer, die Regierung, die Juweliere und die Konsumenten.

„Schmutziges Gold“ – Was tun?

Peru ist der bei weitem größte Goldexporteur Lateinamerikas, bei rund 50% lässt sich der Ursprung des Goldes nicht nachweisen, so eine Studie investigativer Journalist*innen (www.convoca.pe). Gerade im Gebiet Madre de Dios breiten sich die illegalen Minen, verantwortlich für Abholzung und Verseuchung der Umwelt mit Quecksilber, immer weiter aus. Ursachen sind der wachsende „globale Goldhunger“ und der steigende Goldpreis. Auch die Fertigstellung der Verbindungsstraße „Interoceanica“ zwischen Peru und Brasilien erleichtert den illegalen Transport aus den vorher nur schwer zugänglichen Gebieten.Staatliche Verbote zeigen wenig Wirkung und werden nicht mit genügend Nachdruck durchgesetzt. Hier steht die in Peru weit verbreitete Korruption im Wege, und eine Regierung und Präsidentin, denen nachgesagt wird, ebenfalls tief darin verstrickt zu sein.

Auf der Interoceanica entlang der illegalen Goldminen, Foto: Carolin Kronenburg/Caritas international

Ein 18-köpfiges Journalistenteam des grenzüberschreitenden Investigativnetzwerkes OjoPublico hat aufgedeckt, dass in einem Jahrzehnt mehr als 3000 Tonnen hochreines Gold aus illegalem Bergbau exportiert wurde und vor allem Unternehmen aus Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sind. Sie recherchierten die komplexen Wege, „schmutziges“ Gold reinzuwaschen, die eine Rückverfolgung der Lieferketten kaum mehr möglich macht und illegales Gold in die legale Wirtschaft überführt.

Auch wenn Gold nach wie vor als sichere Wertanlage geschätzt wird, „ein ethisch unbedenkliches Investment in Gold gibt es nicht“, vertritt die „Kampagne Bergbau Peru (www.kampagne-bergbau-peru.de). Wer nicht auf Gold verzichten wolle, müsse zumindest auf eine glaubwürdige Zertifizierung von Gold achten oder bei der Herstellung von Schmuck auf Recycling zurückgreifen, so der Appell der NGO.

Problemlösungen für die Umweltkatastrophe im Amazonasgebiet können nur gemeinsam auf internationaler Ebene vorangetrieben werden, schließlich ist die Weltgemeinschaft an den Ursachen durch wirtschaftliche Interessen („Rohstoffhunger“) unmittelbar beteiligt. Auch die Auswirkungen des Klimawandels machen nicht an Ländergrenzen halt.

Caritas engagiert sich weltweit mit vielen praktischen Projekten an der Bewältigung der Klimakrise. In Peru konnten wir auf unserer Pressereise unmittelbar vor Ort erfahren, wie sehr konkrete Maßnahmen das Leben der Menschen dort verbessern.

Jede Unterstützung für die humanitäre Hilfe und das Engagement für innovative Klimaschutzprojekte der Caritas in Peru ist willkommen.

Spendenkonto: Caritas Deutschland/Caritas international, SozialBank,
IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, Verwendungszweck: Peru CY00107

60 Jahre Casa Italia: Gelebte Vielfalt, gewachsene Identität

„Noch immer in den Kinderschuhen“ – und doch unverzichtbarer Bestandteil einer diversen Stadtgesellschaft:

Die bilinguale Kindertagesstätte Casa Italia feiert ihr 60-jähriges Bestehen – ein Jubiläum, das weit mehr ist als nur ein Blick zurück. Es ist ein Anlass, eine Institution zu würdigen, die seit sechs Jahrzehnten Brücken baut: zwischen Sprachen, zwischen Kulturen, zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Über 2000 Kinder haben in der Casa Italia ihre ersten Schritte in eine Gesellschaft gemacht, die selbst im Wandel war – und es bis heute ist. Was 1965 als Unterstützung für Kinder italienischer Gastarbeiter*innen begann, ist heute ein lebendiges Modell für pädagogische Konzepte im Zeichen der postmigrantischen Gesellschaft. Denn Casa Italia hat sich nicht nur weiterentwickelt – sie ist ihrer Grundhaltung treu geblieben: Vielfalt ist kein Defizit, sondern ein Versprechen.

Gegründet vom Caritasverband Köln und getragen vom St. Elisabeth-Jugendheim e.V., reagierte die Einrichtung früh auf die sozialen Herausforderungen von Migration, Arbeitsmigration und Wohnraummangel. Die Entscheidung, 1980 auf ein bilinguales Konzept umzustellen, war mehr als eine didaktische Strategie – sie war ein Bekenntnis zur Anerkennung von Herkunft, Sprache und kultureller Prägung.

Diese Haltung – damals innovativ, heute hochaktuell – entspricht in vielerlei Hinsicht den Grundgedanken postmigrantischer Theorien, wie sie etwa von Naika Foroutan oder Mark Terkessidis formuliert wurden. In der Casa Italia wird täglich erfahrbar, dass gesellschaftliche Teilhabe nicht erst mit der „Anpassung“ beginnt, sondern mit Anerkennung. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch: Kinder lernen hier, sich in mehreren kulturellen und sprachlichen Räumen gleichzeitig zu bewegen – ohne ihre Identität aufgeben zu müssen.

Sprache als soziale Praxis – nicht als Hürde

Die Einrichtung folgt dem Prinzip „Eine Sprache – eine Person“, das wissenschaftlich belegt wurde, unter anderem in einer Evaluation der Universität zu Köln. Dieses Modell erlaubt es Kindern, beide Sprachen – Deutsch und Italienisch – auf natürliche Weise im Alltag zu erleben, ohne sie gegeneinander ausspielen zu müssen. Der authentische Sprachkontakt ist dabei nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Förderung von Selbstbewusstsein, Zugehörigkeit und Ausdrucksfähigkeit. Sprache wird nicht als Barriere verstanden, sondern als Medium der Weltaneignung.

Eine deutsch-italienische Brücke in einer pluralen Gesellschaft

Trotz der Öffnung gegenüber Kindern aus vielen Nationen ist die Casa Italia bis heute ein Ort geblieben, an dem die deutsch-italienische Kulturbeziehung bewusst gepflegt wird. Hier lebt die Erinnerung an eine erste große Einwanderungsgeschichte in der Bundesrepublik, an die Lebensrealitäten der sogenannten „Gastarbeitergeneration“ – nicht als museale Folklore, sondern als gelebtes Kulturerbe. Feste, Rituale, Literatur, Musik und das tägliche Miteinander tragen dazu bei, dass diese Brücke nicht nur erhalten bleibt, sondern immer wieder neu begangen wird – auch von Kindern, die selbst keine italienische Herkunft haben.

Gerade diese bewusste Balance zwischen Kontinuität und Öffnung macht die Casa Italia so besonders: Sie ist sowohl Lernort als auch Erinnerungsort, sowohl Kulturvermittlerin als auch Bildungsakteurin im Heute. In einer Stadt wie Köln – seit jeher geprägt durch Migration, Urbanität und Diversität – zeigt sich hier beispielhaft, wie pädagogische Institutionen gesellschaftlichen Wandel mitgestalten können, ohne dabei ihre Identität zu verlieren.

Vielfalt ist Alltag – und Haltung

Heute ist die Kita ein Raum gelebter Inklusion: Kinder mit und ohne Migrationsgeschichte, mit und ohne Behinderung, unterschiedlicher Religionen und familiärer Hintergründe lernen und wachsen hier gemeinsam auf. Diese Vielfalt ist kein Zusatzprogramm, sondern Grundprinzip. Die Arbeit der Casa Italia basiert auf der Überzeugung, dass eine solidarische Gesellschaft dort beginnt, wo jedes Kind so angenommen wird, wie es ist – mit all seinen Sprachen, Geschichten und Perspektiven.

Wenn wir auf sechs Jahrzehnte Casa Italia zurückblicken, dann sehen wir nicht nur die Entwicklung einer Einrichtung, sondern ein Stück gelebter Stadtgeschichte. Wir sehen, wie Bildungsorte zur sozialen Infrastruktur werden, wie pädagogische Praxis gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht – und wie aus einem Kita-Konzept ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit wird.

In einer Zeit, in der sprachliche und kulturelle Vielfalt politisch wieder vermehrt infrage gestellt wird, setzt die Casa Italia ein Zeichen: für Offenheit, für Respekt – und für die tiefe Überzeugung, dass Sprache nicht trennt, sondern verbindet.

 

Autoren: Maria Lamaina und Guido Geiss