Auf in die Zukunft? Ab in die Gegenwart!

Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands hat am 27. April 2015 in Bonn eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes in seiner “Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse” beschlossen. Dieses veränderte Arbeitsrecht hat Auswirkungen für rund 700.000 Mitarbeiter/innen der katholischen Kirche und der Caritas. Immerhin ist die katholische Kirche damit der größte Arbeitgeber in Deutschland außerhalb der klassischen “Profit-Wirtschaft” und einer der wichtigsten Arbeitgeber überhaupt (zum Vergleich: Der VW-Konzern beschäftig “nur” ca. 600.000 Menschen).

Positiv hervorzuheben ist, dass diese Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes NICHT erfolgte, weil dies etwa durch den Druck der Gewerkschaften oder einer gerichtlichen Rechtsprechung erzwungen wurde, sondern weil Caritas und große Teile der Kirche hier die Notwendigkeit erkannt haben,  unabhängig vom verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen veränderten gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden: In einem wiedervereinten Deutschland, in dem die Kirchen in den “neuen Bundesländer” nun einmal in 2 aufeinanderfolgenden Diktaturen eine fast 60jährige Geschichte der Unterdrückung Ihrer Religion erfahren haben, in einem Deutschland, welches in Zukunft ohne Zuwanderung aus dem Süden der Welt nicht vorstellbar sein wird, und in einem Deutschland welches sich als freie, gleichberechtigte und vielfältige Gesellschaft entwickeln will, kann die Kirche nur mitarbeiten, mitwirken und mitgestalten, wenn sie sich bei ihren eigenen und erkennbaren Werten mit dieser Gesellschaft und ihren Menschen entwickelt.

Im Kern sind zwei wichtige Aussagen erkennbar, die im Übrigen nach Ansicht vieler Menschen in der Organisation Kirche auch bisher nicht unbedingt anders zu verstehen waren, vielleicht von einzelnen “Traditionalisten”  aber anders ausgelegt wurden:

1. Gewerkschaften und Koalitionen von Mitarbeitenden zur gemeinsamen Interessenvertretung stehen nicht im Gegensatz zum sogenannten “Dritten Weg des besonderen kirchlichen Arbeitsrechtes”, welches sich in erster Linie dem Konsens in einer Dienstgemeinschaft und nicht dem Wiederstreit von “Arbeit und Kapital” verpflichtet fühlt. Da aber Streit auch in den besten Familien vorkommt (und war ja auch unter den Jüngern Christi schon mal so), ist es gut, wenn man sich “auf Augenhöhe” zu einem Kompromiss findet. Und da kann auch eine Gewerkschaft dann schon mal hilfreich sein!

2. Es gibt eine katholische Glaubens- und Sittenlehre, mit der sich jeder Katholik auseinandersetzen muss, sogar kritisch auseinander setzen sollte. Hier hat die Kirche auch eine Loyalitätserwartung an ihre Mitglieder, die aus Sicht des Außenstehenden nicht immer ganz einfach zu verstehen sein mag, sich aber aus dem Verständnis der Kirche durchaus erklärt. Mit der Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechtes wurde ja nun auch nicht diese Glaubens- und Sittenlehre neu verfasst, sehr wohl aber das Verständnis darüber konkretisiert, was denn die “Loyalitätspflicht” eines kirchlichen Mitarbeiters ausmacht und diese im Verhältnis zum Auftrag der einzelnen Arbeitsstelle und Funktion eines Mitarbeiters zu bewerten ist. Und das kann dann bei der Leiterin der katholischen Erziehungsberatungsstelle zu anderen Maßstäben führen als beim Hausmeister des Altenheimes. Wichtig scheint aber auch hier zu betonen: Scheidung und Wiederverheiratung eines Mitarbeiters mussten und durften auch bisher nicht zwangsläufig in die Kündigung führen, vielmehr gab es schon immer eine Anforderung an die Findung von “Verhältnismäßigkeiten”. Dies wurde nun noch deutlicher hervorgehoben und macht laut Dr.Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes) erforderlich ein neues Verständnis zu finden, welches “Loyalität nicht nur an der Lebensführung des einzelnen Mitarbeiters festmacht”.

Damit sind wir dann zwar noch nicht in der Zukunft angekommen, immerhin aber doch in der Realität der Gegenwart.

Bleibt zu hoffen, dass nun die Änderung der Grundordnung auch in allen Diözesen Geltung findet, denn dazu muss diese noch von jedem Bischoff “freigegeben” werden.

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