Stop – der ganz “normalen” Ausgrenzung

Maria Hanisch, leitet im Geschäftsfeld Alter und Pflege die Stabsstelle Ethik, Seelsorge und gesundheitliche Versorgungsplanung

Ist Ihnen das auch schon mal passiert, sie bemerken, dass
• über andere geurteilt wird, ohne die Hintergründe zu kennen?
• die Wertung „sozial schwach“ verwendet wird, wenn Menschen, die in Armut leben, gemeint sind?
• erklärt wird, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bei den Kindern ankommen muss und nicht von Eltern für Alkohol oder Flachbildschirme verwendet werden soll?
• einem Steuerhinterzieher, der rechtskräftig verurteilt wurde, Respekt für die Annahme des Urteils gezollt wird?
• beim Thema Mindestlohn einige die Meinung vertreten, Langzeitarbeitslose würden eher eingestellt, wenn sie in den ersten sechs Monaten unterhalb des Mindestlohns entlohnt werden dürften?
• über die Einführung höherer Steuern, über Veränderungen im Steuerrecht oder die Begrenzung der Gehälter bei Vorständen großer Unternehmen viel gesprochen wird, aber keine Taten folgen?
• stereotyp wiederholt wird, wer viel leistet, auch viel bekommen muss?

Die Wirklichkeit ist komplexer und nicht nur schwarz und weiß. Lösungen zur Vermeidung von Armut und Ausgrenzung zu finden, ist gar nicht so leicht. Tatsache ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und trotz Wirtschafts- und Bankenkrise das Vermögen des oberen Zehntels der Bevölkerung gewachsen ist. Tatsache ist auch, dass diese Gruppe über ein durchschnittliches Vermögen von über 1,15 Millionen Euro pro Person verfügt, während bei den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung jede und jeder im Schnitt 4.600 Euro Schulden hat.

Orientierung an Kriterien der Sozialethik
Für ein differenziertes Hinschauen und Handeln
Die Qualität caritativer Arbeit orientiert sich neben den spezifischen fachlichen Erfordernissen an einer ethischen Grundhaltung, wie Menschen zu begegnen ist. Die katholische Sozialethik benennt einige Kriterien und formuliert Maßstäbe, mit denen wir unser Handeln überprüfen können.

• Menschenwürde
Achte die Würde aller Menschen! Dazu gehören Achtung, Respekt und eine Förderung, die einem Bedürfnis nach einem würdevollen Leben gerecht wird. Dies geht über juristische Maßstäbe hinaus.
• Gerechtigkeit
Handle gerecht und ohne Einflüsse von Sympathie, Antipathie oder Formen der Willkür!
• Teilhabe
Ermögliche Teilhabe von Menschen, denen eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft eingeschränkt wird!
• Freiheit
Richte dein Handeln gegenüber den anderen so aus, dass du sie immer als freie Menschen anerkennst, auch wenn ihre aktuelle subjektive Freiheit eingeschränkt ist!
• Befähigung
Handle immer befähigend und mit positiver Wertschätzung und unter Einbeziehung der vorhandenen Fähigkeiten des Menschen!
• Solidarität
Handle solidarisch zum Wohl von Benachteiligten, ohne sie durch die Hilfe zu beschämen oder zu demütigen!
• Verantwortung
Trage die Verantwortung für die von dir übernommenen Aufgaben, und verschaffe dir Klarheit über die Grenzen der Aufgaben und der Verantwortung!
• Nachhaltigkeit
Handle nachhaltig im Umgang mit deinen eigenen und fremden Ressourcen, und trage Verantwortung für eine wirklich helfende Zweck-Mittel-Relation!

Diese Grundsätze scheinen so einfach und selbstverständlich zu sein, dass sie zunächst keinen Reflex zum Widerspruch auslösen. Bei genauerer Betrachtung gibt es aber viele Situationen, in denen sie unberücksichtigt bleiben.

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