Technisch möglich ist noch lange nicht alltagstauglich; vom langen Weg einer Projektentwicklung….

Die häusliche Pflege und Betreuung ist nicht erst mit der letzten Änderung der Pflegeversicherung zur zukunftsweisenden Versorgungsform geworden. Dieser Bedeutungszuwachs wird begleitet und gefördert durch eine Fülle von technischen Innovationen, die die alltäglichen Verrichtungen und die häusliche Pflege gravierend verändern werden. Bereits heute stehen einige dieser Innovationen an der Schwelle der Marktreife.

Wenn die Caritas-Sozialstationen in Köln Menschen ermutigen wollen, sich auch mit zunehmendem Alter, Hilfe- und Pflegebedürftigkeit für einen Verbleib in der eigenen Wohnung zu entscheiden, werden hierzu professionelle Angebote, bürgerschaftliches Engagement und technische Assistenzsysteme miteinander hilfreich kombiniert werden müssen. Aus unserer Sicht ist die Einführung von intelligenter Technik mit manchen, oft unvorhersehbaren Schwierigkeiten verbunden. Viele Innovationen sind getragen von einer „zündenden“ Idee. Wenige berücksichtigen auch, dass für einen Markterfolg eine systematische Analyse, die Integrationsmöglichkeit in vorhandene Strukturen und nicht zuletzt die explizite Darstellung des Kundennutzens erforderlich ist.

Ein Hausnotrufsystem das mehr kann, als Notrufe absetzen

Wir konnten dies bei dem Versuch erfahren, einen innovativen Ansatz im Bereich des Hausnotrufes zu realisieren. Unser Ziel war zum einen, durch eine selbständige Aktivierung von Notfällen einen Sicherheitsgewinn für Kunden und Angehörige erreichen zu wollen und zum anderen, die Reaktionszeiten bei einem Notfall deutlich zu reduzieren.

Nach einer entsprechenden Analyse haben wir uns für einen Anbieter entschieden, dessen Hausnotruftechnik die Möglichkeiten eines individuell ausgelösten Notrufes ergänzt durch den Einsatz und die Auswertung von Bewegungs- und Kontaktsensoren. Ein spezieller Algorithmus sorgt dafür, dass Notfälle erkannt werden, indem Abweichungen des aktuellen Bewegungsmusters vom angelernten Alltags-Bewegungsprofil des Kunden festgestellt werden. So sollen Notfälle frühzeitig erkannt und zusätzlich schleichende Veränderungen in Form einer Präventivmeldung wahrgenommen werden können, um rechtzeitig die Ursachen zu eruieren und gemeinsam mit dem Kunden und den Angehörigen nach Lösungen zu suchen.

Für den Testbetrieb hatten wir 15 Kunden gewinnen können, die mit einem Handsender ausgestattet und deren Wohnungen mit einem Hausnotrufgerät ausgerüstet wurden. Zusätzlich war jeweils eine Kontaktmatte im Bett platziert und je nach Wohnung 4-5 Funk-Bewegungsmelder mit doppelseitigem Klebeband an der Wohnungsdecke angebracht worden. In der Praxis hatte uns zunächst die Anzahl der Präventivmeldungen (bis zu 45 pro Monat) überrascht. Wir führten dies zunächst auf eine zu ambitionierte Einstellung der Schwellenwerte zurück. Doch auch nach mehrfacher Nachjustierung und über 10-monatigem Testbetrieb stabilisierte sich die Anzahl der Präventivmeldungen bei 1-2 pro Monat und Kunde.

Insgesamt zeigte sich, dass eine sichere Erkennung von Notfällen (z.B. Sturzereignisse) ohne manuelle Auslösung am Handsender nicht erreicht werden konnte. Dann muss jedoch die Frage gestellt werden, aus welchem Grund der Kunde mehrere Sensoren in seiner Wohnung tolerieren soll. Noch deutlicher zeigte sich der mangelnde Kundennutzen bei der Auswertung der Präventivmeldungen. Hier erfolgte eine Kategorisierung in die Bereiche Schlaf, Wahrnehmung und Mobilität, um beispielsweise zu veranschaulichen, ob sich die Häufigkeit der Badbenutzung verändert hat, ob sich Bewegungen während des Tages erhöht oder reduziert haben, ob Zeiten, die außerhäuslich verbracht wurden zu- oder abgenommen haben, oder ob vermehrt die Haustüre betätigt worden ist. Auch wenn die Präventivmeldungen zum Anlass genommen wurden, am nächsten Tag Kontakt mit dem Kunden aufzunehmen und die Meldung zum Gesprächsthema zu machen, war es in der Praxis oftmals schwer zu benennen, welchen Gewinn am Ende die Kunden und die Mitarbeiter/innen der Caritas-Sozialstation aus diesen Präventionsmeldungen hätten ableiten können.

Digitale Schlüssel um schnell Hilfe leisten zu können

Um das 2. Teilziel, die Reduzierung der Reaktionszeiten, zu erreichen, sollten die Kundenschlüssel nicht mehr im Schlüsselschrank in der Caritas-Sozialstation abgeholt werden müssen, sondern in NFC-fähigen Smartphones als digitale Schlüssel mitgenommen werden können. Dazu sollten zunächst alle Mitarbeiter/innen mit entsprechenden Handys ausgestattet, sodann die mechanischen Schließzylinder in den Büroräumen der Caritas-Sozialstation durch digitale Schließzylinder ersetzt werden. Im weiteren Testbetrieb würden die Schließzylinder der Wohnungseingangstür ausgewählter Kunden durch digitale Schließzylinder ersetzt werden und im letzten Schritt die Hauseingangstüren entsprechend umgerüstet werden. Hierzu sollten die elektrischen Türöffner der Hauseingangstür über einen Wandleser angesteuert werden, der z.B. einfach auf die Innenseite der Tür geklebt würde.

Mit einem ersten Anbieter (aus dem Schwäbischen), konnten zwar die Anforderungen zur Digitalisierung der Schlüssel dezidiert erfasst werden, die Termine zur Realisierung wurden jedoch wiederholt nicht eingehalten und führten nach ca. 10 Monaten zum Projekt-Abbruch. Es konnte dann rasch ein anderer Anbieter (Österreich) gefunden werden, der die Zutritt-Kontrolle über eine APP steuerbar machen würde. In den Firmenpräsentationen war die Kommunikation zwischen Handy und digitalem Schließzylinder auch stets problemlos möglich, erst als die APP auf unseren Smartphones installiert werden sollte, zeigten sich verschiedene Schwierigkeiten. Zunächst war zu konstatieren, dass der APP-Store durch die Sicherheitseinstellungen unserer IT gesperrt und ein Download der APP ausschließlich möglich ist, wenn diese als APK-Datei über unsere IT explizit zur Verfügung gestellt wird. Aber auch danach war die APP trotz Erfüllung aller Anforderungen auf manchem Handy verfügbar auf einem anderen wiederum nicht. Erst die Einsendung und Testung eines Diensthandy offenbarte dann, dass erst neuere Android-Versionen mit den Anforderungen der Sicherheitssoftware SOPHOS, die auf allen Geräten des Caritasverbandes installiert ist und der APP zurecht kommen.

Wir verfolgen weiter innovative Wege, um die Sicherheit unserer Kunden zu ermöglichen

Insgesamt stehen wir vor einem recht nüchternen Projektergebnissen und werden voraussichtlich alternative Hausnotruftechnik mit einem anderen Sturzdetektionsansatz erproben, bevor wir uns für die Übernahme in ein Angebot für alle Kunden entscheiden.

Trotz aller scheinbaren Misserfolge werden wir weiter auf der Suche nach innovativen Lösungen bleiben, um mehr Sicherheit für unsere Kunden zu ermöglichen.

Bruno Malangre, Leistungsbereichsleiter Ambulante Pflege

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