Über den Sinn des Schenkens – Gedanken zur „Umtauschzeit“ in den Innenstädten zum Jahresbeginn

Alle Jahre wieder um die Zeit zwischen den Jahren und den ersten Tagen im Januar stellt sich mir die gleiche Frage beim Gang durch die Innenstadt: Wieso gibt es so viele offenbar ungewollte oder unpassende Geschenke zu Weihnachten, die dann Heerscharen von Menschen in den Geschäften umtauschen?

Was ist eigentlich aus dem eigentlichen Gedanken des Schenkens in unserer kapitalistischen Gesellschaft geworden? Auch ein Blick in die Statistik zeigt, dass insbesondere das Wort „kapitalistisch“ in diesem Zusammenhang das zu sein scheint, was im Mittelpunkt steht: 472 Euro pro Kopf (!) geben die Deutschen nach einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) im Schnitt für Weihnachtsgeschenke aus, 2011 waren es noch knapp 300 Euro (https://einzelhandel.de/weihnachten/4558-ausgaben-fuer-geschenke-steigen-erneut). Auch die Umsätze des (Online-)Handels nehmen jedes Jahr zu Weihnachten größere Ausmaße an.

Aber ist das wirklich sinnvoll? Ist das die Idee des Schenkens? Ich finde, wir sollten in diesem Zusammenhang einmal innehalten und uns besinnen, warum wir eigentlich Menschen Geschenke machen wollen und worauf es dabei wirklich ankommt.

Lernen können wir dabei zum Beispiel von unseren Kindern: Die beurteilen Geschenke (zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie zum Beispiel mit der Werbung in Kontakt kommen) nicht nach ihrem Wert in Euro und Cent. Da wird das gemeinsame Backen und Basteln eines Lebkuchenhauses viel mehr wert geschätzt als das teure Spielzeug. Das gemeinsame Anschauen eines Bilderbuches macht mehr Freude als das neue Gerät zum Daddeln (die es ja erschreckenderweise auch für Kleinkinder immer häufiger unter den Christbaum schaffen).

Was will ich damit sagen? Dass nicht das Materielle das eigentlich Wertvolle ist, sondern die gemeinsame Zeit, die geteilte Freude. Das gilt auch für uns Erwachsene: Sich gegenseitig Zeit zu schenken, den gemeinsamen Kinobesuch, das gemeinsame Kochen und Essen, oder nur ein gutes Gespräch bei einem Glas Wein bereiten oftmals mehr Freude als der Tand, der zwanghaft, „weil man sich ja was schenken muss“, überreicht wird. Denn Schenken, also die „Gabe“, ist im ursprünglich christlichen Verständnis eben nicht Pflicht, Statusverteidigung oder gar Selbstdarstellung, sondern ein Symbol der Nächstenliebe, des Hinschauens zum Beispiel auf Jene, die wenig haben, auf diejenigen, die über das Jahr „zu kurz kommen“ –  kurzum: Auf den Menschen, ganz ohne Verpflichtung oder die Erwartung einer Gegenleistung.

In der hektischen Zeit des Alltags kommt doch genau das viel zu kurz: Sich einzulassen auf Menschen, egal ob Familienmitglieder, Freund*innen, Bekannte oder auch Fremde. Wir alle hasten von Termin zu Termin und gerade in der Weihnachtszeit wird dieser Druck durch die Geschenkesuche noch einmal verstärkt. Sich davon zu befreien, den Versuch zu unternehmen, wirklich zu entschleunigen, das Gegenüber, ob bekannt oder fremd, zu sehen, und Zeit zu schenken – sich selbst und den Menschen, die einem wichtig sind. – Das stresst weniger und macht mehr Freude, übrigens nicht nur zu Weihnachten. Probieren Sie es doch mal aus!

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